Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Wilna, vielfache Nachrichten eingegangen. Ich habe deshalb dem Ge— 
neral vorgehalten, daß ich durch die mir von ihm gemachten Er- 
öffnungen vor ein Nätsel gestellt sei. Auf Offiziersparole erwiderte er 
mir jedoch, daß solche Nachrichten unrichtig seien, es möge hie und da 
allensalle ein falscher Alarm vorliegen. 
ch muß das Gespräch in Anbetracht der positiven, zahlreichen, über 
  
erfolgte Einziehungen vorliegenden Nachrichten als einen Versuch be- 
trachten, uns über den Umfang der bisherigen Maßnahmen irre- 
zuführen.“ 1 
Da die Russische Regierung auf die verschiedenen Anfragen über 
die Gründe ihrer drohenden Haltung des öfteren darauf hinwies, daß 
Oesterreich-Ungarn noch keine Konversation in Petersburg begonnen 
habe, erhielt der österreichisch-ungarische Botschafter in Petersburg am 
29. Juli auf unsere Anregung die Weisung, mit Herrn Sasonow die 
Konversation zu beginnen. Graf Szapary ist ermächtigt worden, die 
durch den Beginn des Kriegszustandes allerdings überholte Note an 
Serbien dem russischen Minister gegenüber zu erläutern und jede An- 
regung entgegenzunehmen, die von russischer Seite aus noch weiter er- 
folgen sollte, sowie mit Sasonom alle direkt die österreichisch-russischen 
Beziehungen tangierenden Fragen zu besprechen. « 
Schulter an Schulter mit England haben wir unausgesetzt an der 
Vermittelungsaktion fortgearbeitet und jeden Vorschlag in Wien unter- 
stützt, von dem wir die Möglichkeit einer friedlichen Lösung des Kon- 
flikts erhoffen zu können glaubten. Wir haben noch am 30. einen eng- 
lischen Vorschlag nach Wien weitergegeben, der als Basis der Verhand- 
lungen aufstellte, Oesterreich-Ungarn solle nach erfolgtem Einmarsch in 
Serbien dort seine Bedingungen diktieren. Wir mußten annehmen, daß 
Rußland diese Basis akzeptieren würde. 
Während in der Zeit vom 29. bis 31. Juli diese unsere Bemühungen 
um Vermittelung, von der englischen Diplomatie unterstützt, mit steigen- 
der Dringlichkeit fortgeführt wurden, kamen immer erneute und sich 
häufende Meldungen über russische Mobilisierungsmaßnahmen. Trup- 
penansammlungen an der ostpreußischen Grenze, die Verhängung des 
Kriegszustandes über sämtliche wichtigen Plätze der russischen West- 
grenze ließen keinen Zweifel mehr daran, daß die russische Mobilisierung 
auch gegen uns in vollem Gange war, während gleichzeitig unserem Ver- 
treter in Petersburg alle derartigen Maßregeln erneut ehrenwörtlich 
abgeleugnet wurden. Noch ehe die Wiener Antwort auf den letzten eng- 
lisch-deutschen Vermittelungsvorschlag, dessen Tendenz und Grundlage 
in Petersburg bekannt gewesen sein mußte, in Berlin eintreffen konnte, 
ordnete Rußland die allgemeine Mobilmachung an. In den gleichen 
Tagen fand zwischen Seiner Majestät dem Kaiser und König und dem 
Zaren Nikolaus ein Telegrammwechsel statt, in dem Seine Majestät 
den Zaren auf den drohenden Charakter der russischen Mobilmachung 
und die Fortdauer seiner eigenen vermittelnden Tätigkeit aufmerksam 
machte. 
en 31. Juli richtete der Zar an Seine Majestät den Kaiser fol- 
gendes Telegramm: 
„Ich danke Dir von Herzen für Deine Vermittlung, die eine Hoff- 
nung aufleuchten läßt, daß doch noch alles friedlich enden könnte. Es ist
	        
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