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Rolle eines gewissen Ciganovic, eines gewesenen Komitatschi und jetzigen
Beamten der serbischen Eisenbahndirektion Belgrad, der schon 1909 als
Zögling der Bandenschule der damaligen Narodna Odbrana auftauchte.
Ferner wird die Art dargelegt, wie Bomben und Waffen unbemerkt nach
Bosnien eingeschmuggelt wurden, die keinen Zweifel darüber läßt, daß
dies ein wohl vorbereiteter und für die geheimnisvollen Zwecke der
Narodna oft begangener Schleichweg war.
Eine Beilage enthält einen Auszug aus den Akten des Kreisgerichts
in Serajewo über die Untersuchung des Attentats gegen den Erzherzog
Franz Ferdinand und dessen Gemahlin. Danach sind Princip, Cabri-
novic, Grabez, Crupilovic und Papovic geständig, in Gemeinschaft mit
dem flüchtigen Mehmedbasic ein Komplott zur Ermordung des Erz-
herzogs gebildet und ihm zu diesem Zwecke aufgelauert zu haben. Ca-
brinovic ist geständig, die Bombe geworfen und Gabrilo Princip das
Attentat mit der Browningpistole ausgeführt zu haben. Beide Täter
gaben zu, bei der Verübung der Tat die Absicht des Mordes gehabt zu
haben. Die weiteren Teile der Anlage enthalten weitere Angaben der
Beschuldigten vor dem Untersuchungsrichter über Entstehung des Kom-
plotts, Herkunft der Bomben, welche fabrikmäßig hergestellt wurden, für
militärische Zwecke bestimmt waren und ihrer Originalpackung nach aus
dem serbischen Waffenlager aus Krajugevac stammten. Endlich gibt die
Beilage Auskunft über den Transport der drei Attentäter und der Waf-
fen von Serbien nach Bosnien. Aus dem weiteren Zeugenprotokoll er-
gibt sich, daß ein Angehöriger der Monarchie einige Tage vor dem Atten-
tat dem österreichisch-ungarischen Konsulat in Belgrad Meldung von
der Vermutung erstatten wollte, daß ein Plan zur Verübung des Atten-
tats gegen den Erzherzog während dessen Anwesenheit in Bosnien be-
stehe. Dieser Mann soll nun durch Belgrader Polizeiorgane, welche ihn
unmittelbar vor Betreten des Konsulats aus nichtigen Gründen verhaf-
teten, an der Erstattung der Meldung verhindert worden sein. Weiter
gehe aus dem Zeugenprotokoll hervor, daß die betreffenden Polizeiorgane
von dem geplanten Attentat Kenntnis gehabt hätten. Da diese Angaben
noch nicht nachgeprüft sind, kann über deren Stichhaltigkeit vorläufig
noch kein Urteil abgegeben werden. In der Beilage zum Memeire heißt
es: Vor dem Empfangssaal des serbischen Kriegsministeriums befinden
sich an der Wand vier allegorische Bilder, von denen drei Darstellungen
serbischer Kriegserfolge sind, während das vierte die Verwirklichung der
monarchiefeindlichen Tendenzen Serbiens versinnbildlicht. Ueber einer
Landschaft, die teils Gebirge (Bosnien), teils Ebene (Südungarn), dar-
stellt, geht die Zora, die Morgenröte der serbischen Hoffnungen, auf. Im
Vordergrunde steht eine bewaffnete Frauengestalt, auf deren Schilde
die Namen aller „noch zu befreienden Provinzen“: Bosnien, Herzego-
wina, Wojwodina, Syrmien, Dalmatien usw. stehen.
Anlage 1b.
Der Reichskanzler an die Kaiserlichen Botschafter in Paris, London,
St. Petersburg vom 23. Juli 1914:
Die Veröffentlichungen der österreichisch-ungarischen Regierung über
die Umstände, unter denen das Attentat auf den österreichischen Thron-
folger und seine Gemahlin stattgefunden hat, enthüllen offen die Ziele,