Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.3. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (3)

* 157. Rechtliche Verhältnisse der sog. Altkatholiken. 333 
Allgemeiner Vertreter des Erzbischofs in der kirchlichen Regierung nach näherer Maß- 
gabe der kirchenrechtlichen Bestimmungen ist: 
a) bei besetztem erzbischöflichen Stuhle: der vom Erzbischof ernannte Generalvikar; 
b) bei nicht besetztem erzbischöflichen Stuhle: der vom Domkapitel erwählte Kapitels- 
vikar (Bisthumsverweser). Beide dürfen der großherzoglichen Regierung nicht mißfällig sein 
(s. o.). 
§ 157. c) Rechtliche Verhältnisse der sog. Altkatholiken. Eine Anzahl der badischen 
Staatsangehörigen, welche ihrerseits Mitglieder der katholischen Kirche bleiben wollen, haben 
die sog. vatikanischen Konstitutionen von 1870 nicht anerkannt und sind dadurch mit der 
kathokischen Kirchenregierung des Landes, welche dieselben zum Vollzug verkündet hat, in 
Widerstreit gerathen. Die Gesetzgebung hat sich dadurch veranlaßt gesehen, ohne die inner- 
kirchliche Frage zu entscheiden, welche von beiden Anschauungen die dogmatisch richtige ist, 
die Rechtsbeziehungen derjenigen Katholiken, welche die genannten päpstlichen Konstitutionen 
nicht anerkennen, der sog. Altkatholiken, zu denjenigen Katholiken, welche denselben sich 
unterwerfen, einstweilen zu ordnen. Dies ist geschehen durch das Landesgesetz vom 15. Juni 
1874, die Rechtsverhältnisse der Altkatholiken betr.1). 
Durch dasselbe wird: I. zunächst bewirkt die Aufrechterhaltung der Rechte, welche den 
Katholiken des Landes als solchen eingeräumt sind, und die fernere Anwendung der be- 
züglich der römisch-katholischen Kirche erlassenen Staatsgesetze zu Gunsten derjenigen Katho- 
liken, welche die in der päpstlichen Bulle Pastor aeternus vom 18. Juli 1870 verkündeten 
Lehrsätze nicht anerkennen. 
Alle bezüglich der römisch-katholischen Kirche des Landes erlassenen Staatsgesetze finden 
auch Anwendung auf denjenigen Theil der Katholiken, welcher den vatikanischen Konsti- 
tutionen, insbesondere den Lehrsätzen von der „höchsten ordentlichen und unmittelbaren 
Jurisdiktion und von dem unfehlbaren Lehramte“ des römischen Papstes die Anerkennung 
verweigert. 
Dieselben (die sog. Altkatholiken) erleiden keinen Verlust der ihnen als Katholiken 
zustehenden Rechte; insbesondere bleibt den Benefiziaten, Präbendaren und den übrigen 
Inhabern kirchlicher Aemter, ohne Rücksicht auf die Nichtanerkennung dieser Lehrsätze, der 
Genuß ihrer Pfründen und Einkünfte gesichert. 
II. Einstweilige Loslösung dieser (Alt) Katholiken von der Jurisdiktionsgewalt der 
bisherigen kirchlichen Oberen. Die Jurisdiktionsgewalt der Letzteren hat den (Alt) Katho- 
liken gegenüber einstweilen keine Wirksamkeit. Als katholischer Bischof auch für die badi- 
schen Altkatholiken ist Seitens der großherzoglichen Staatsregierung der Bischof der Alt- 
katholiken des Deutschen Reiches anerkannt. « 
III. Die Ermöglichung der Bildung eigener kirchlicher Gemeinschaften der Altkatholiken 
innerhalb der katholischen Kirchspiele und der selbständigen Ausübung der Rechte einer solchen. 
Es steht nämlich den (Alt)Katholiken behufs Einrichtung und Abhaltung eines be- 
sonderen öffentlichen Gottesdienstes und Vornahme sonstiger kirchlicher Handlungen das 
Recht zu, innerhalb der Kirchspiele beziehungsweise der Gemeinden eigene kirchliche Gemein- 
schaften zu bilden. Zur Bildung einer solchen kirchlichen Gemeinschaft ist die Genehmigung 
der Regierung erforderlich. 
.s-Zu den Kirchspiels-, beziehungsweise Gemeindegenossen im Sinne dieses Gesetzes 
1) G. u. V. Bl. Nr. XXII, S. 277, Vollz.Verord. d. Min. d. Inn. v. 27. Juni 1874, G. u. V. Bl. 
Nr. XXVI, S. 335. Die großherzogliche Regierung hat mit Bekanntm. v. 16. Sept. 1870, G.u. V. Bl. 
Nr. LXIII, erklärt, daß die ohne Genehmigung des Staates verkündeten Konstitutionen keine recht- 
liche Geltung in Anspruch nehmen oder in Vollzug gesetzt werden können, insoweit fie unmittelbar 
oder mittelbar in bürgerliche oder staatsbürgerliche Verhältnisse eingreifen.
	        
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