Versailles ein so einsichtiges, weltbeglückendes, tadelloses Instrument
wäre, dann brauchte man sich nicht fortwährend zu neuen Konfe-
renzen, Aussprachen, Zusammenkünften über dieses „wunderbare“
Instrument zusammenzufinden. Die Notwendigkeist immer neuer
Interpretationen liegt eben darin, daß die Bedürfnisse des Lebens
hochkultivierter und zivilisterter Nationen bei der Redaktion des
Friedens außer Acht gelassen wurden.
Man soll indessen nicht pharlsäisch sein: bis zu einem gewissen
Grade ist nach einem Weltringen um Leben und Tod die Uber-
spannung der Bedingungen durch den obsiegenden Teil eine nakür-
liche Folge des befreienden Gefühls, der Todesgefahr entronnen zu
sein. Ich welß trotzdem, daß Deutschland im Falle eines für uns
glücklichen Kriegsausganges ganz andere, d. h. billige und erträgliche
Bedingungen gestellt hätte. Die Friedensschlüsse von Brest und
Bukarest — übrigens gar nicht mit dem von Bersailles vergleich-
bar — können nicht gegen uns herangezogen werden. Sie wurden
mitten im Kriege abgeschlossen und mußten uns Bedingungen ein-
räumen, die und bis zum Schlusse des Krieges sicherten. In einem
allgemeinen Frieden hätte der Ostfriede ganz anders ausgesehen.
Er wäre bei einem für uns glücklich beendeten Kriege von uns selbst
revidfert worden. Damals, als er geschlossen wurde, war es not-
wendig, die milttärischen Erfordernisse voranzustellen.
Aber die Aufklärung über den Fehlspruch von Versailles ist auf
dem Marsche, und die Bedürfnisse des heutigen Bölkerlebens werden
für die Steger und für die Unterlegenen ihre gebteterische Sprache
sprechen.
Den Jahren schwerster Prüfung wird die Befrefkung von einem
Joch folgen, das einem großen, starken, ehrlichen Bolke zu Unrecht
aufgezwungen worden ist. Dann wird wieder seder froh und stolz
sein, daß er ein Deurtscher ist.
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