Von dem Kränzchen, das ich mit meinen Mitschülern bildete,
berichtete schon mein Curriculum vitae. In diesem Kreise, der Sonn-
tags nachmittags sich zusammenfand, wurden nicht nur Klassiker mit
verteilten Rollen gelesen, sondern auch Vorträge gehalten (ich sprach
einmal üÜber den Zug Alexanders des Großen nach Indien) und De-
batten geübt. Zu diesem Zweck mußte ein jeder von uns einen der
bekannten Politiker darstellen, die damals eine Rolle spielten, so war
z. B. der kleine diskutterlustige Sommer: Lasker. Für mich war
es nicht so einfach, ein geeignetes Vorbild zu finden, und es bedurfte
erst langer Beratungen; schließlich einigten wir uns auf Schulze-
Delltzsch, den damaligen Vührer der Fortschrittspartei. Diese De-
batten wurden sehr ernsthaft behandelt und sogar aufgezeichnet,-
Brauneck war Protokollführer. (Außerdem war dieser auch ein großer
Briefmarkensammler, und ich habe ihm, als meine eigene Leiden-
schaft für diesen Sport erloschen war, meine selbst zusammengebrachte
Sammlung vermacht.)
Theaterbesuche bedeuteten nach wie vor für mich Festtage. Kassel
besaß eine verhältnismäßig gute Oper, und in dem Dirigenten Reis
einen tüchtigen Kapellmekster. Das Schauspiel stand nicht auf gleicher
Höhe, doch sah ich mit viel Interesse die Werke von Shakespeare,
Schiller, Uhland u. a. Als besonders eindrucksvoll ist mir eine
Vorstellung von Uhlands „Ludwig der Baier“ in Erinnerung. Unter
den Schauspielern erfreute sich Barena, der nachher Theaterdirektor
in Stettin oder Königsberg wurde, großer Beliebtheit bei der
Jugend, sein Graf Wetter vom Strahl riß alle zur Begeisterung
hin. Recht gut gesiel uns die Schauspielerin Harke, auch die schöne
Hagen, die sich spckter mit einem Fürsten Wittgenstein-Altenkirchen
verheiratete. Ein großes Talent war der funge Herberk, auf den
ich Hülsen aufmerksam machte, leider blieb er nicht im preußischen
Dienste.
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