meines Vaters befanden. In dem Schreiben forderte der König
seine Nachfolger auf, die ihm durch die Revolution von 1848 ab-
gezwungene Verfassung außer Kraft zu setzen und die alte Regie-
rungsform wieder herzustellen, da diese die einzige sei, mit der man
in Preußen regieren könne.
Als Friedberg mir das Dokument nach meiner Thronbesteigung
überreichte, war mir sofort klar: kam dieses Blatt in die Hände eines
unerfahrenen Thronfolgers, so konnte es das größte Unheil anrichten.
Ich zerriß daher kurzerhand den Brief und verbrannte ihn in meinem
Kamin. Auf das Kuvert schrieb ich, mit meinem Siegel und dem
Datum des Tages darunter: „Inhalt gelesen und vernichtet.“ Das
Kuvert ging in die Abkten zurück.
VII.
Nun kamen des schmerzgeprüften Kaisers letzte Leidenstage.
Am 13. Juni traf König Oskar von Schweden zum Besuch bei
meinem Vater ein. Die beiden hohen Herren waren seit langer Zeit
befreundet, daher hatte der König den Wunsch ausgesprochen, meinem
Vater noch einmal die Hand zu drücken. Mein Bater empfing ihn
sitzend, ganz hinfällig, in einem nach der Gartenseite des Neuen
Palais hinaus liegenden Zimmer, er trug seinen alten Interimsrock,
an dem die oberen Knöpfe offen standen. Aber schon nach wenigen
Minuten kam der König zu mir auf die Terrasse heraus, seelisch so
erschüttert, daß er lange Zeit keines Wortes fähig war. Zu tief hatte
ihn der herzzerreißende Anblick der einst so stolzen Gestalt ergriffen.
Am Morgen des folgenden Tages meldeten mir Dr. Schrader
und der hinzugezogene Generalarzt Professor Bardeleben, die Mög-
lichkeit der Ernährung meines Baters sei abgeschnitten, da die flüssige
Nahrung, die er zu sich nehme, neben der Kanüle wieder heraus-
liefe, das Innere des Halses sei völlig zerstört. Als ich zu meinem
Vater gelassen wurde, fand ich ihn bereits in der Agonie. Ich blieb
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