Full text: Der Bundesrat als Reichsorgan.

Einzelstaaten ihre Mitgliedschaftsrechte lediglich innerhalb des 
Bundesrates ausüben und daß ihre Rechte sich mit der Abgabe 
der Stimme bei der Beschlußfassung erschöpfen, während die 
Durchführung der Beschlüsse unabhängig vom Willen der 
Bundesmitglieder erfolgt. Der Bundesrat ist demnach ledig- 
lich das Reichsorgan, in dem die einzelnen Bundesmitglieder 
als solche nach einem ihren Staatskräften entsprechenden 
Stimmenmaße für die Zwecke des Reiches zur Mitwirkung ge- 
langen 6). 
Aber die Stellung, die der Bundesrat in dem Organismus 
des Reiches einzunehmen berufen ist, hat die Reichsverfassung 
bestimmte Festsetzungen nicht getroffen. Man kann daher nur 
aus den Bestimmungen über seine Kompetenz Folgerungen in 
dieser Hinsicht ziehen ). Am leichtesten läßt sich der Kreis 
seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit in der Gegenüber- 
stellung mit den dem Kaiser zugewiesenen JFunktionen feststellen: 
alle Funktionen der Reichsgewalt, die der Kaiser nicht hat, stehen 
dem Bundesrat zus). Die Haupttätigkeit des Bundesrates 
besteht in der Ausübung der Gesetzgebung des Reiches. Wenn 
auch das Gesetzgebungsrecht nach Art. 5 d. NR. zwischen 
Bundesrat und Reichstag geteilt ist, so steht doch der weitaus 
bedeutsamere Anteil dem Bundesrat zu. Denn zur Entstehung 
eines Gesetzes genügt nicht allein das Vorhandensein eines über- 
einstimmenden Mehrheitsbeschlusses des Reichstages und des 
Bundesrates. Der Bundesrat ist jederzeit in der Lage, einen 
von ihm ausgehenden Gesetzentwurf, selbst wenn er vom Reichs- 
tag ohne Anderung angenommen worden ist, wieder fallen zu 
lassen 2). Erst durch die Sanktion des Bundesrates wird der 
Inhalt eines solchen Entwurfes Gesetz. 
Die Zuständigkeitssphäre des Bundesrates erstreckt sich 
weiterhin auf eine umfassende Mitwirkung in Reichsverwal- 
6) v. Rönne, in den Annalen d. D. R. 1871, S. 222. 
7) v. Rönne, Staatsrecht, Bd. 1 S. 194. 
8) So Laband, Staatsrecht, Bd. I S. 255. Von dem Reichstag 
wird hier abgesehen. 
9) Art. 7 Ziff. 1 d. RV. 
  
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