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Aber auch hier handelt es sich wiederum nur um den Erlaß eines
formellen Gesetzes, um die Ausübung einer Verwaltungs-
befugnis des Bundesrates und des Reichstages.
DMeben diesen formellen Gesetzen ist aber gerade auf dem
Gebiete des Eisenbahnwesens seitens des Bundesrates auch eine
Reihe von Verordnungen ergangen, deren Gültigkeit, soweit sie
Rechtsnormeigenschaft haben, stark angefochten ist. So vor allem
die Gültigkeit der Eisenbahnverkehrsordnung von 1892 und deren
viele Abänderungen. Vor Erlaß des neuen Handelsgesetz-
buches vom 10. Mai 1897 ist die Verkehrsordnung, und zwar
wohl mit Recht, lediglich als Verwaltungsverordnung angesehen
worden, deren Geltung nicht auf der Einführung durch das
Reich, sondern auf der Annahme durch die einzelnen Eisenbahn-
verwaltungen beruhte. Nach dem heutigen Stande der Wissen-
schaft ist aber ihre Gültigkeit als Rechtsvorschrift fast allgemein,
besonders auch „vom Standpunkte der reichsgerichtlichen
Judikatur", wie Hubrichos) ausdrücklich erklärt, anerkannt.
Die Rechtsnormeigenschaft der Verkehrs-Ordnung von 1899
ergibt sich aus einer besonderen Delegation, die darin zu suchen
ist, daß das neue Handelsgesetzbuch mehrfach auf die Verkehrs-
ordnung Bezug nimmt 65). Dadurch nun, daß die Verkehrs-
Ordnung von 1892, die lediglich auf Grund des Art. 45 d. RV.
vom Bundesrat erlassen ist, in ihrer Schlußbestimmung IX den
ausdrücklichen Vorbehalt der Änderung macht und daß die Be-
zugnahme des Handelsgesetzbuches auf die „Verkehrsordnung"“
ohne Hinzufügung des bestimmten Datums vom 15. November
1892 geschehen ist, ist auch der Rechtsnormcharakter der vielen
Anderungen der Verkehrsordnung als stillschweigend anerkannt
anzusehen 66).
Die bisher unter Nr. II dieses Kapitels besprochenen Ver-
64) Das Reichsgericht über den Gesetzes= und Verordnungsbegriff.
S. 54, 55.
65) H#G#B. § 453 Ziff. 3, 454, 459 Ziff. 6, 460 Abs. 1, 462—465, 466
Abs. 2 u. 3, 471, 472.
66) Vgl. hierzu Hubrich, Verwaltungsarchiv, Bd. 13 S. 464.