112 Elftes Kapitel
nichts als unser Sieg über Englands Soldaten war und blieb, allen
sentimentalen Redensarten zum Trotz, die unausweichbare materielle
Voraussetzung für einen Frieden, der nicht Deutschlands Vernichtung
bedeuten sollte.“ Selbst der „Vorwärts"“ (8. April) ließ sich, wie die
„Breslauer Volkswacht“ sich ausdrückte, dazu verführen, im mili-
tärischen Sieg jetzt den einzigen Weg zum Frieden zu sehen. Die „J. K.“
(S. April) fügte hinzu, um diesen Standpunkt könne sich jetzt die ganze
Partei scharen. Natürlich sah die unabhängige „Leipziger Volkszeitung“
in dem „Vorwärts“-Aufsatz nur eine schimpfliche Kapitulation vor den
Alldeutschen.
Die „Chemnitzer Volksstimme“ (3. April) aber bekannte, daß „die
Zahl der Deutschen nicht sehr groß sein wird, die gewillt wären, sich
dagegen aufzulehnen, wenn eines Tages die Forderung geltend ge-
macht werden kann, Frankreich solle Schadenersatz für Menschen und
Güter leisten.“
Die gewaltigen Siege hatten auch hier den Blick für die Lebens-
notwendigkeiten Deutschlands geklärt. Leider nur für kurze Zeit. Bald
wieder die Oberhand. Schon am 14. April verteidigte der Abg. Lands-
berg die Friedensentschließung vom 19. Juli 1917. Sie habe „nur des-
halb den Frieden noch nicht bringen können, weil bei der Entente der
gute Wille fehlte“. In der Parteipresse wurde ausdrücklich betont, daß
die Entschließung noch gelte und vom militärischen Erfolg unabhängig
sei „„Hamburger Echo“ 20. April). Dementsprechend trat ein großer
Teil der sozialdemokratischen Presse der Lösung der baltischen Frage
im Sinne Deutschlands mit fanatischer Ablehnung gegenüber. Als der
Vereinigte Landesrat von Livland, Esthland, Riga und Ösel den Be-
schluß gefaßt hatte, Anlehnung bei Deutschland zu suchen und es um
seine Unterstützung bei der Loslösung von Sowjet-Rußland zu bitten,
fand der Empfang der Abordnung des Landesrats durch den Reichs-
kanzler erbitterten Widerspruch in den von Stampfer beeinflußten
Blättern. Die Opposition gegen die deutsche Kriegszielpolitik verschärfte
sich noch angesichts der Vorgänge in der Ukraine.
Diese hatte die Mittelmächte um Hilfe gegen Sowjetrußland ge-
beten. Um der Ukraine die Möglichkeit zu geben, ihren wirtschaftlichen
Verpflichtungen nachzukommen, mußte das Land von den bolschewistischen
Aufwieglern gesäubert werden.