Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Ukrainisch-finnische Sorgen der Sozialdemokratie 113 
Auch nachdem dies einigermaßen gelungen war, vermochte die 
regierende Körperschaft, die Zentralrada, sich nicht Autorität zu ver- 
schaffen und die versprochenen Getreidelieferungen für die Zentralmächte 
aufzubringen. Es kam zu scharfen Auseinandersetzungen mit der Rada, 
sogar Anschläge auf deutsche Offiziere wurden verübt. Der deutsche Be- 
fehlshaber, Feldmarschall v. Eichhorn, sah sich zu energischen Maßregeln 
genötigt. Gleichzeitig erhob sich die ukrainische Bauernschaft gegen die 
kommunistische Enteignungögesetzgebung der Rada. Auf einer Bauern- 
versammlung in Kiew wurde der General Skoropadski zum Hetman 
und Diktator der Ukraine ausgerufen. Deutschland erkannte ihn an und 
unterstützte ihn mit Truppen. 
Hier schienen, wie man heute sagen würde, „Errungenschaften der 
Revolution“, sei es auch nur die eines fremden Volkes (wofür die 
„deutsche“ Sozialdemokratie ja stets das wärmste Mitgefühl hatte), 
in Gefahr. Und so machte die sozialdemokratische Presse gewaltig in 
Entrüstung. Der Abg. Dr. David schrieb („J. K.“ 18. Mai), die deutsche 
Diplomatie sei drauf und dran, das „verkrachte Innen= und Außen- 
ideal der echt-russischen Leute“ zu übernehmen: „ein innerlich unfreies 
Stammland in der Mitte und ringsherum geknechtete Schutzstaaten 
von Fremdstämmigen“. 
Man wußte in der Arbeiterschaft den Eindruck zu erwecken und 
zu vertiefen, daß die weltpolitische Neuordnung wesentlich nach dem 
Gebote militärischer Dienststellen und im Interesse einzelner Oynastien 
erfolge. Ofter noch als früher wurde das Wort „Militärpartei“ ange- 
wendet, immer häufiger angedeutet, daß die Reichsregierung sich von 
militärischen Stellen ins Schlepptau nehmen lasse. So sprach Scheide- 
mann in einer Wahlversammlungsrede von der Politik, die 㟆ber die 
Köpfe der Regierung hinweg“ gemacht werde und empfahl dieser den 
Rücktritt, wenn sie sich nicht durchsetzen bönne. Der Abg. Hierl-Schwa- 
bach erklärte auf einer Kreisversammlung des sozialdemokratischen Ver- 
eins Ansbach-Schwabach, die Militärpartei führe das Staatsruder und 
schalte und walte nach Gutdünken; die Grundlagen der Politik des 
4. August 1914 seien nicht mehr gegeben. Besonders abfällig wurde in 
der sozialdemokratischen Presse die Frage der Einführung der monarchi- 
schen Regierungosform in Finnland und vor allem die einer sächsisch- 
litauischen Personalunion besprochen. 
Der Abschluß des Friedens mit Rumänien — 7. Mai 1918 — be- 
Wrisberg « 8
	        
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