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auch hier geht mir keine Forderung weit genug. Unter Protest jedoch
gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die
kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, gegen die kapitalistischen
Ziele, die er verfolgt, gegen die Annexionspläne, gegen den Bruch der
belgischen und luxemburgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur,
gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren sich die
Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch schuldig
machen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.
Berlin, 2. Dezember 1914.
gez. Karl Lebknecht.
1915.
Nr. 3. (Januar; aus einer Rede Liebknechts in einer Versammlung
in Neu-Kölln.)
Imperialismus und Krieg.
.. Wenn sich die bisherigen Entwicklungsgesetze der Gesellschaft
nicht auf den Kopf stellen, und Deutschland sich nicht in ein politisches
Schlaraffenland verwandelt, werden auch künftig keine ernsthaften poli-
tischen Reformen anders als durch politischen und wirtschaftlichen Kampf
erzielt werden. Und die Aussichten dieses Kampfes sind um so günstiger,
je zuversichtlicher das Vertrauen der Massen in die Festigkeit, in die
Unbeirrbarkeit und Stetigkeit der Sozialdemokratie ist, und je größer
die Achtung und Furcht der Gegner vor ihrer Kraft, Zielsicherheit und
Entschlossenheit. Einer Partei, deren Widerstandslosigkeit gegen Massen-
psychosen, gegen den heulenden Mob der Straße, gegen gerissene Re-
gierungsdemagogie, gegen ein Blatt Papier und Druckerschwärze, da
den Belagerungszustand verkündet, so offenkundig ward, einer Partei,
die dem Namen einer Umsturzpartei nur eben durch den Umsturz ihrer
eigenen Grundsätze Ehre gemacht hat, und deren Festigkeit in einem
großen historischen Moment so gering war, daß ein Kartenhaus im Ver-
gleich dazu ein Festungswall erscheint, einer solchen Partei wird sowohl
jenes Vertrauen, wie dieser Respekt fehlen. Um so mehr, je mehr „sozia-
listische“ Frühlingslerchen mitten im unwirtlichen Winter des imperia-
listischen Mißvergnügens herumflattern und dem Volke den Wahn eines
nahen Kanaans einzutirilieren suchen. Sich einbilden, im Wege solcher