2. Flugblattpropaganda 173
1918.
Nr. 9. (Anfang Januar.)
Am Montag, den 28. Januar beginnt der Massenstreik!
Arbeiterinnen! Arbeiter!
Auf zum Massenstreik! Auf zum Kampf! Soeben hat das öster-
reichisch-ungarische Proletariat ein mächtiges Wort gesprochen. Fünf
Tage lang ruhte die Arbeit in allen Betrieben in Wien, Budapest usw.
im ganzen Reiche. In Wien haben die Arbeiter den Straßenbahnverkehr
eingestellt, auch der Eisenbahnverkehr wurde zum Teil lahmgelegt, es
erschien keine einzige Zeitung. An vielen Orten kam es zu einer offenen
Erhebung der Bevölkerung und zum Kampf mit der Regierungsmacht.
In Prag und Budapest wurde die Republik proklamiert. In Wien
hielten die Arbeiter die Brücken besetzt, um das Eindringen der Polizei
in die Arbeiterviertel zu verhindern.
In schlotternder Angst vor der drohenden Revolution war die
Jentralregierung gezwungen, den nach Muster der russischen Revolution
gewählten Wiener Arbeiterrat anzuerkennen und mit ihm zu verhandeln.
Sie beeilte sich, Konzessionen zu machen, um die Bewegung einzudäm-
men, wobei ihr natürlich die Regierungssozialisten und die Gewerk-
schaftsführer freiwillig Handlangerdienste leisteten.
Die Aufhebung der Militarisierung der Betriebe, die Aufhebung
des Arbeitszwangggesetzes, die Erfüllung der Arbeiterforderungen in
den Ernährungsfragen, gleiches und allgemeines Wahlrecht für Frauen
und Männer bei den Gemeindewahlen, Versprechen, bei den Friedens-=
verhandlungen mit Nußland auf alle Annerionsabsichten zu verzichten,
— dies sind die vorläufigen Zugeständnisse. Die historische Bedeutung
des Arbeiteraufstandes in Osterreich-Ungarn liegt aber nicht in diesen
Zugeständnissen, sondern in der Tatsache der Erhebung selbst. Die Be-
wegung ist zwar auf halbem Wege stehen geblieben, aber es ist dies
der erste Schritt, dem andere folgen werden. Die Hilfe der deutschen
Arbeiter, unser Massenstreik, wird die Flamme der Revolution in der
Doppelmonarchie zu neuem, mächtigem Brande entfachen!
Arbeiterinnen und Arbeiter! Was unsere österreichisch-
ungarischen Brüder angefangen haben, das müssen wir vollenden!