Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Liebknecht und die Seinen 15 
die Zeitung unterblieben. Und doch hatte der „Vorwärto“-Redakteur 
Abg. Ströbel bereits am 23. Februar las die vaterlandsverräterische 
Außerung getan: „Ich bekenne ganz offen, daß ein voller Sieg des 
Reiches den Interessen der Sozialdemokratie nicht entsprechen würde.“ 
Innerhalb der sozialdemokratischen Partei selbst machten sich immer 
deutlicher Anzeichen der Spaltung bemerkbar. Der radikale Flügel 
unter Liebknecht, Haase, Rosa Luxemburg, Frau zZietz, war allmählich 
in schärfste Opposition zu der Politik der Parteimehrheit getreten. 
Er bezeichnete den Krieg als nunmehr unzweifelhaft von Deutschland 
zu Eroberungszwecken geführt, verlangte Aufsagung des Burgfriedens 
und Verweigerung weiterer Kriegskredite. Entsprechend den eingangs 
gekennzeichneten Tendenzen dieser Gruppe unterließ sie nicht, von diesen 
— zunächst inneren — Streitigkeiten das Ausland zu verständigen. 1) 
Liebknecht selbst, der als Armierungssoldat ODienst tat, führte trotz 
des ihm erteilten Verbotes, seine Agitation fort und versuchte vor 
allem, mit dem Ausland persönlich und schriftlich in Verbindung zu 
bleiben. Die Überwachung seiner Tätigkeit nahm viele Kräfte und Zeit 
in Anspruch, zumal, da er als Mitglied des Reichstags den Schutz der 
Immunität nach Kräften ausnuzte. 2) 
In den Volksvertretungen war von diesen Strömungen noch nichts 
zu merken. Zwar ließ die Sozialdemokratie keine Gelegenheit vorbei- 
gehen, ohne ihre Friedensliebe, ihre Gegnerschaft gegen jede — auch 
„verschleierte“ — Annerion und ihre internationalen Gefühle und 
Bindungen hervorzuheben, dafür aber betonten die Fraktionsredner 
einmütig, daß die Partei nach wie vor das Vaterland nicht im Stiche 
lassen würde. Besonders anzuerkennen war die Art der Besprechung 
von Heeresfragen, die wohltuend abstach von den oft zum Fenster 
binaus gehaltenen Hetzreden früherer Friedensjahre. „Die Leistungen 
unserer Heeresverwaltung dürfen eine Kritik nicht scheuen . Das 
deutsche Heer kann nur gewinnen durch eine Kritik Es kann sich 
natürlich nicht darum handeln, daß wir hier eine Reihe von Einzel- 
heiten vorbringen . e kann nicht bestritten werden, daß das Kriegs- 
ministerium mit Energie daraufhin gewirkt hat, die Mißstände, die 
ich nur angedeutet habe, zu beseitigen “ sagte der Abg. Stücklen 
in der Sitzung des Reichstages vom 26. August 1914. 
9 Siehe Anhang, „Flugblattpropaganda“, Nr. 2 und 3. 
*) Siehe Anhang, „Flugblattpropaganda“, Nr. 4.
	        
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