Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Die Hoffnung Frankreichs 10 
„wissen wir; es ist schon auf dem Wege. Und die Straßenkund- 
„Lgebungen, die sowohl an Größe wie an Heftigkeit zunehmen, sind 
„die Sturmzeichen, die sein Nahen verkünden “ 
Der Absplitterung der achtzehn Minderheitsangehörigen, auf deren 
Seite bereits am Tage darauf vierzehn weitere Fraktionsmitglieder 
traten, war eine Abstimmung innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion 
(schon gegen Ende 1915) vorausgegangen, die eine scharfe Verurteilung 
jener ergeben hatte. Am 21. Dezember hatten 20 Abgeordnete im 
Plenum gegen die Kredite gestimmt. In einer Betrachtung dieser 
Sonderaktion machte das führende Organ der gemäßigten Parteikreise, 
die „Chemnitzer Volksstimme“ (22. Dezember) folgende beachtenswerte 
Mitteilung: „ein ganz sicherer Gewährsmann schreibt uns aus der 
Schweiz, daß der französische Minister Sembat bereits am 6. Sep- 
tember gesagt hat, Frankreich müsse das Kriegsgeschäft liquidieren, 
wenn ee feststehe, daß die deutsche Arbeiterschaft bis zum Ende durch- 
hielte; aber glücklicherweise habe er sehr beruhigende 
Nachrichten, daß sich ein großer Umschwung anbahne.“ 
Warum niizte die mit der Führung der inneren Yolitik beauftragte 
Stelle eine solche Zeitungsmeldung, für deren Richtigkeit auch der 
Abg. Scheidemann eintrat, nicht aus als Waffe gegen die Treibereien 
der Radikalen? Gab eo eine bessere Gelegenheit, dem Volke zu zeigen, 
daß die von Haß gegen den Staat und die Gesellschaft Verblendeten 
nur die Geschäfte des Feindes besorgten? 
Auch anderwärts im Reiche hatten die Parteiorganisationen einer 
großen Anzahl von Wahlkreisen zu der Kreditverweigerung Stellung 
genommen. Sie war u. a. gebilligt worden im §. Berliner Wahlkreis, 
in Braunschweig, Reuß j. 2., Niederbarnim, Borna-Pegau, Speyer, 
Mannheim; gegen sie war die Mehrheit, z. B. auch Organisationen 
wie die in Mecklenburg-Lübeck und in Teltow-Beeskow aufgetreten, 
obwohl die dortigen Abgeordneten Dr. Herzfeld und Schwartz bzw. 
Jubeil zu den 20 Kreditverweigerern gehörten. 
Die Spaltungsfrage selbst wurde natürlich in der Presse stark 
erörtert. Für sie traten „Vorwärts“ (Rühle), der seit Kriegsausbruch 
die politischen Anschauungen der Minderheit vertreten hatte 1), und 
1) Der „Vorwärts"“ war in immer schärferen Gegensatz zum Parteivorsland 
geraten. Ein behördliches Eingreifen gegen das Blatt erschien jedoch zunächst nicht 
angebracht, um nicht eine Brüskierung des Parteivorstandes herbeizuführen. 
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