Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Beginn des Kampfes der sozialistischen Parteien gegen die Regierung 25 
Die Quittung für ihre Nachgiebigkeit an die sozialdemokratischen 
Tendenzen erhielt die Regierung in der Reichstagssitzung vom 7. Juni 
1916. Namens der sozialdemokratischen (Mehrheits-) Fraktion erklärte 
der Abg. Ebert, daß seine Freunde gegen den Etat (dessen 3. Lesung 
beraten wurde) stimmen würden. Als Gründe führte er an: die Ein- 
bringung neuer, den Verbrauch und Verkehr belastender Steuern, so- 
wie die Nichterfüllung des Versprechens der Regierung, die sozialdemo- 
kratischen, auf sozialen und politischen Fortschritt (Milderung des Be- 
lagerungszustandes und der Zensur, Reform des Klassenwahlrechtes 
in Preußen) gerichteten Forderungen zu erfüllen. Der innere Grund 
dürfte wohl die Besorgnis vor dem Wettbewerb der „Unabhängigen“ 
um die Gunst der Massen gewesen sein. 
Die Kriegskredite hat die Partei allerdings auch weiterhin be- 
willigt; den Etat hat sie verweigert. Sie trat damit erneut in die 
Opposition. 
Grundsätzlich stand auf diesem Boden schon längst die zehn Ab- 
geordnete umfassende sozialdemokratische Fraktion des preußischen Ab- 
geordnetenhauses, die allerdings aus besonders radikalen Elementen 
bestand. Ihr Auftreten wurde häufig bei der eigenen Partei als ab- 
stoßend empfunden. So nannte die „Chemnitzer Volksstimme“ die 
Reden der Abg. Liebknecht, Ströbel und Hoffmann während der März- 
tagung des Landtages „ein wüstes Geschimpfe, das dem gefallen wird, 
der Schimpfen unter dem Schutze der Immunität für eine Heldentat 
hält, jeden anderen aber abstößt.“ Und über Liebknecht im besonderen 
schrieb die „Magdeburger Volksstimme“, der Parteitag müsse dem un- 
leidlichen Zustand ein Ende machen, daß jemand im Reichstage als 
sozialdemokratischer „Wilder“ und im Landtag als wilder Sozialdemo- 
krat auftreten könne. — 
Ec liegt nicht in meiner Absicht, ausführlich und im einzelnen auf 
das Hin und Her der Streitigkeiten einzugehen, die sich von jetzt 
an in der Partei entwickelten. Die Einigkeit nicht nur in der Fraktion, 
sondern auch in den Massen im Lande war dahin; die ehemals durch 
feste Disziplin zusammengehaltene Partei in drei sich heftig befehdende 
Gruppen zerfallen. 
Während noch im Frühherbst Heilmann, der Leiter der „Chem-
	        
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