Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

42 Drittes Kapitel 
für sich selbst sehen. Und daß weder das liberale Bürgertum noch 
die Arbeiterschaft große Geneigtheit verspüren werden, mit einem sol- 
chen Deutschland einen Frieden zu machen, ehe alle Möglichkeiten zur 
Niederwerfung dieses gefährlichen Nachbarn erschöpft sind, ist ein- 
leuchtend“. Herr Scheidemann beschwor mit einem Seitenblick auf 
die russischen Umwälzungen den Kanzler dringend, dem in seiner Rede 
vom 14. März ausgesprochenen Reformwillen die Tat sofort folgen 
zu lassen. („Vorwärts“ vom 19. März.) Um die etwas peinliche 
Wirkung dieses Zusammenhanges abzuschwächen, beeilte sich der „Vor- 
wärts“ doch, zu erklären (25. März): „Niemand droht, bei uns könnte 
es etwa auch so gehen wie dort drüben, die Verhältnisse liegen gänz- 
lich verschieden.“ Mich dünkt, der Pferdefuß schaute nun erst recht 
heraus. — 
In welcher Weise die Liebknechtgruppe das russische Ereignis 
auswertete, mögen folgende, einem ihrer Flugblätter 1) entnommene 
Sätze zeigen: 
„Nur durch eine Revolution ist ein wirklich domokratischer 
„und dauernder Friede zu erreichen. Soldaten aller kriegführen- 
„den Länder, folgt dem Rat Karl Liebknechts: Senkt die Waffen, 
„kehrt sie gegen die eigene Regierung! 
„Die revolutionäre Propaganda gegen die eigene Regierung 
„ist das einzige aufrichtige und wirkliche Mittel des Kampfes für 
„den Frieden. 
„Wir empfehlen als praktisches Mittel: Organisierung eines 
„Generalstreikes am 1. Mai 1917 in allen Ländern. 
Gruppe deutsch-französischer Anhänger Karl Liebknechts, 
Mac Leans und anderer ebenso Handelnder.“ 
Daneben soll nicht verschwiegen werden, daß Männer, wie der 
Abg. Cohen (Reuß) auch den Fortgang der inneren „Neuorientierung“ 
der Sozialdemokratie selbst forderten. Sie könne die frühere „bequeme 
Verneinungspolitik aus Prinzip, bei der man sich so wunderschön um 
jede Verantwortung herumdrücken könne“, unmöglich weiter treiben. 
„Wir müsssen bereit sein, Verantwortungen zu tragen und entschlossen 
den Staat zu bejahen, dessen feste Fundierung für die Jukunft 
der deutschen Arbeiterschaft wichtiger ist als internationale Illusionen.“ 
71) Von Anfang April 1917; zum Teil verschickt in der „Internationalen Korre 
spondenz“.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.