Die Scheuklappen der Sozialdemokratie 57
Regierung gegen die angeblich von den Alldeutschen geleitete deutsche
Politik.
Daß das einzige Friedenshindernis die für uns einfach unerträg-
lichen Forderungen der Gegner waren, wollten beide sozialistischen Par-
teien nicht einsehen, trotzdem die feindlichen Staatsmänner in ihren
Reden, und die gesamte Presse ihnen täglich verbündeten, man wolle
Deutschland zum Sklavenland machen. Und heute, nachdem der uns
von der Sozialdemokratie und ihren Mitläufern bescherte Friede anfängt,
seine Furchtbarkeit zu zeigen, erdreistet sich die demokratische Mehr-
heit, denjenigen Männern die Schuld unseres Unglücks beizumessen,
die stets mahnten, alle Kräfte in vaterländischem Geiste zu seiner Ab-
wehr anzuspannen. Auch über diesen gegen das Deutschtum gerichte-
ten Lügenfeldzug, ebenbürtig der Northeliffe-Propaganda, wird der-
einst die Geschichte Klarheit bringen. Möge es nicht zu lange währen,
bis unser armes Volk diesen Dunstkreis durchbricht. —
„Ein Frieden, der auf freiwilliger Einsicht aller beteiligten Völker
und Regierungen beruht, vor allem auf der gebieterischen Einsicht, daß
dem Krieg ein Ende gemacht werden muß — das ist das Ziel der
deutschen Sozialdemokratie —“, schrieb am 13. Mai die „Magde-
burger Volksstimme“. Unstreitig gab sie damit die Ansicht weitester
sozialdemokratischer Kreise wieder.
Mit beispiellos hartnäckiger Weltfremdheit und außenpolitischer
Verständnislosigkeit forderte die Sozialdemokratie unausgesetzt von der
Regierung den Beginn von Friedensbesprechungen immer mit der glei-
chen, in Wirklichkeit durch nichts begründeten Behauptung, die feind-
lichen „Genossen“ würden sofort ihre Regierungen zwingen, in die
ausgestreckte Friedenshand einzuschlagen. Unbelehrt durch die bisherigen
Mißerfolge und unbelehrbar liefen die deutschen „Jielbewußten“ ibrem
Phantom nach. Längst auch wußte jeder deutsch Fühlende, daß der
„Scheidemannfriede“ dem Volke für seine ungeheueren Opfer und ge-
waltigen Siege nichts als „Verzicht“ ansann — die „Reichsleitung“
aber dachte wohl an Stockholm und schwieg.
Die Massen selbst erhofften bestimmt für den Spätsommer oder
Herbst das Ende des Krieges und zunächst den Sonderfrieden mit Ruß-
land. Voller Spanmung richteten sich die Blicke nach der schwedischen
Hauptstadt, obwohl es auch in der sozialdemokratischen Presse nicht
an Stimmen der Skepsio fehlte. So schrieb die „Buchbinder-Zeitung“