Die Kampfansage des Genossen Ebert 61
außerordentlich schlecht. Unsere alldeutsche Presse habe alles getan, um
unsere Beziehungen zu Osterreich zu vergiften.
Die Haltung der Neutralen werde für uns von Tag zu Tag
ungünstiger.
Das Volk habe alles Vertrauen zu der Regierung und ihren Er-
klärungen verloren. Er fordere, daß man sobald wie möglich zu einem
Frieden komme. Wenn auch das offizielle Frankreich und England sich
noch ablehnend verhielten, so eröffneten doch die Zustände in Ruß-
land Hoffnungen. In Frage kommen könne aber kein Sonderfrieden,
sondern nur ein allgemeiner. Daher müsse die deutsche Regierung
die Rußland gegenüber aufgestellte Formel „keine Annexionen, keine
Kontributionen“ für die Friedensverhandlungen mit allen Mächten
maßgebend sein lassen. Dadurch werde die in Rußland vorhandene
Friedensstimmung in ihrer Einwirkung auf die Westmächte wesentlich
unterstützt. Schon jetzt stehe ein günstiger Einfluß auf die Völker in
den Ententeländern fest. Doch noch ein Weiteres sei notwendig. Schöne
Reden, Erklärungen und kaiserliche Botschaften über die Neuorientierung
im Innern genügten nicht. Das Volk frage sich: wozu die großen Opfer,
wenn die Regiernug nicht gewillt ist, uns das Notwendigsie, Unentbehr-
lichste, Selbstverständlichste — die politische Gleichberechtigung, zu ge-
währen, das Dreiklassenwahlspstem zu beseitigen?
Der Hinweis auf den Burgfrieden sei heute zum Gespött aller ge-
worden, wie die alldeutsche Hetze beweise. Das Ausland habe die Zeichen
der Zeit besser zu nützen gewußt. Die Vertagung der Wahlrechtsreform
bis nach dem Kriege sei ganz unhaltbar geworden.
Der Redner, dessen Darlegungen sich völlig in dem sattsam be-
kannten engen Parteirahmen bewegten, schloß mit dem Hinweis an die
Regierung, daß die demokratische Reform im Innern Deutschlands
eine Voraussetzung sei sowohl für die innere Festigung des Volkes wie
auch für die Stärkung nach außen hin. Ob Herr Ebert als ehrlicher
Mann auch heute noch so denkt?
Die Ausführungen des sozialdemokratischen Abgeordneten wurden
von dem Abg. Erzberger unterstrichen, besondero, soweit sie sich auf die
behauptete Wirkungslosigkeit des UBootkrieges bezogen. Am ö. Juli
unternahm Erzberger — diesem betriebsamen, überall auftauchenden
Abgeordneten war bisher von fast allen Regierungsstellen, besonders
dem Auswärtigen Amt, ein beinahe restloses Vertrauen entgegengebracht