Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Der Reichsanwalt stellt „äußeren“ Tatbestand des Landesverrates fest 77 
selben Tage, an dem man in Deutschland vorgehe, gleichzeitig bei 
allen Feinden von Deutschland die Arbeit für den Krieg und die 
Waffen selber ruhen würden. Eine Schädigung des Vaterlandes könne 
also nicht eintreten. 
Woher diese von Reichpietsch verbreitete Auffassung, an der die 
Besatzung der Flotte zäh festhielt, stammte, hat sich nicht erweisen lassen. 
Die politische Bewegung ging allgemein auf die anderen Geschwader 
über, insbesondere auch auf das 1., das ursprünglich als das königs- 
treueste bezeichnet worden war. Sie führte schließlich zu schwereren Aus- 
schreitungen und offener Meuterei. Gegen die Teilnehmer erging eine 
Reihe von Urteilen. Es muß aber festgestellt werden, daß kein ein- 
ziger Marineangehöriger etwa wegen seiner politischen Gesinnung oder 
einer Werbetätigkbeit für eine politische Partei verurteilt ist. Die Urteile 
sind vielmehr lediglich wegen schwerer militärischer Verbrechen, insbe- 
sondere wegen Landes= und Kriegsverrates und wegen militärischen 
Aufruhrs ergangen. 
Im ganzen wurden 77 Personen verurteilt, davon zwei zum Tode, 
19 zu Zuchthausstrafen. 
Die Abgeordneten Dittmann, Haase und Vogtherr, sowie Frau 
Zietz bestritten, Kenntnis von der auf Gehorsamsverweigerung und auf 
einen Flottenstreik zielenden Bewegung erhalten und auf deren Unter- 
stützung und Förderung hingewirkt zu haben. Dagegen gaben die Ab- 
geordneten die Möglichkeit zu, das Reichpietsch von ihnen zur Vor- 
sicht ermahnt sei. 
Wie oben erwähnt, war ein früherer Redakteur des Hauptorgans 
der U. S. P. D. Mitwisser und Treiber in den Flottenumtrieben. 
Die stattgehabten Sachermittelungen sind dem Oberreichsanwalt 
nicht aucreichend erschienen, um Reichstagsabgeordneten eine landes- 
verräterische Handlung nachzuweisen. 
Richtig war nach seiner Auffassung allerdings, daß sie davon 
Kenntnis hatten, daß ein großer Teil der Marinemannschaften mit 
den bestehenden Verhältnissen unzufrieden war und einen endlichen 
Frieden herbeisehnte, daß sozialdemokratische Zeitungen der unabhängi- 
gen Richtung im Kreise der Mannschaften viel gelesen wurden, und 
daß eine weitgehende Sympathie für die Ziele der Partei bestand. 
Wenn die Abgeordneten unter diesen Umständen den Matrosen zu- 
redeten, weiter unter den Schiffsbesatzungen für jene ziele tätig zu
	        
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