Der Reichsanwalt stellt „äußeren“ Tatbestand des Landesverrates fest 77
selben Tage, an dem man in Deutschland vorgehe, gleichzeitig bei
allen Feinden von Deutschland die Arbeit für den Krieg und die
Waffen selber ruhen würden. Eine Schädigung des Vaterlandes könne
also nicht eintreten.
Woher diese von Reichpietsch verbreitete Auffassung, an der die
Besatzung der Flotte zäh festhielt, stammte, hat sich nicht erweisen lassen.
Die politische Bewegung ging allgemein auf die anderen Geschwader
über, insbesondere auch auf das 1., das ursprünglich als das königs-
treueste bezeichnet worden war. Sie führte schließlich zu schwereren Aus-
schreitungen und offener Meuterei. Gegen die Teilnehmer erging eine
Reihe von Urteilen. Es muß aber festgestellt werden, daß kein ein-
ziger Marineangehöriger etwa wegen seiner politischen Gesinnung oder
einer Werbetätigkbeit für eine politische Partei verurteilt ist. Die Urteile
sind vielmehr lediglich wegen schwerer militärischer Verbrechen, insbe-
sondere wegen Landes= und Kriegsverrates und wegen militärischen
Aufruhrs ergangen.
Im ganzen wurden 77 Personen verurteilt, davon zwei zum Tode,
19 zu Zuchthausstrafen.
Die Abgeordneten Dittmann, Haase und Vogtherr, sowie Frau
Zietz bestritten, Kenntnis von der auf Gehorsamsverweigerung und auf
einen Flottenstreik zielenden Bewegung erhalten und auf deren Unter-
stützung und Förderung hingewirkt zu haben. Dagegen gaben die Ab-
geordneten die Möglichkeit zu, das Reichpietsch von ihnen zur Vor-
sicht ermahnt sei.
Wie oben erwähnt, war ein früherer Redakteur des Hauptorgans
der U. S. P. D. Mitwisser und Treiber in den Flottenumtrieben.
Die stattgehabten Sachermittelungen sind dem Oberreichsanwalt
nicht aucreichend erschienen, um Reichstagsabgeordneten eine landes-
verräterische Handlung nachzuweisen.
Richtig war nach seiner Auffassung allerdings, daß sie davon
Kenntnis hatten, daß ein großer Teil der Marinemannschaften mit
den bestehenden Verhältnissen unzufrieden war und einen endlichen
Frieden herbeisehnte, daß sozialdemokratische Zeitungen der unabhängi-
gen Richtung im Kreise der Mannschaften viel gelesen wurden, und
daß eine weitgehende Sympathie für die Ziele der Partei bestand.
Wenn die Abgeordneten unter diesen Umständen den Matrosen zu-
redeten, weiter unter den Schiffsbesatzungen für jene ziele tätig zu