Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Die Revolutionäre beanspruchen für sich'den „inneren“ Tatbestand usv. 70 
und Karl Artelt, haben in einer Broschüre „Ursprung und Entwickelung 
der Novemberrevolution 1918“ geschrieben: 
„Die Leipziger Volkszeitung und einige andere Organe der 
U. S. P. D. hatten eine weite Verbreitung in der Marine gefunden. 
Regelrechte Organisationen der U. S. P. D. waren innerhalb der Marine 
entstanden. Große Hoffnungen wurden an die Ereignisse in Stockholm 
geknüpft. Die Genossen Reichpietsch, Köves und andere traten an den 
Vorstand der U. S. P. D. in Kiel und Berlin heran zwecks Fühlung- 
nahme und Erhalt von Agitationsmaterial. Das Jiel der Bewegung 
war schon damals die Erzwingung des Friedens und die Durchführung 
der sozialdemokratischen Revolution. Aber Verrat und Unvorsichtigkeit 
führten zur vorzeitigen Entdeckung der geplanten Erhebung. Nachdem 
die Genossen den Vorstand und den Vertrauensmännerkörper wieder 
aufgerichtet hatten, gingen sie, wenn auch mit größter Vorsicht, wie- 
der an den Aufbau. Viele Kameraden der verurteilten Matrosen traten 
an den Vorsitzenden, Genossen Strunk heran, und dieser versorgte sie 
dann mit dem nötigen Material. . Ihre Absicht war es, beim nächsten 
Streik loszuschlagen, den Krieg durch die Revolution zu beenden.“ 
Wie erwähnt, hatte sich der Sozialdemokratie und, unter ihrer 
Führung, der Mehrheitsparteien eine starke Gereiztheit gegen den Kanzler 
bemächtigt. Man wollte ihm deutlich vor Augen führen, daß er den 
Willen der Mehrheit der Volksvertretung auszuführen habe. 
Für den 6. Oktober 1917 war auf die Tagesordnung des Reichs- 
tages eine Interpellation gesetzt über angebliche „Agitation durch Vor- 
gesetzte im Heer zugunsten alldeutscher Politik“.1) Sie sollte Gelegen- 
heit zur Abrechnung mit dem Kanzler und der Vaterlandspartei geben 
und wurde von dem sozialdemokratischen Abg. Landsberg begründet. 
Ihre Abwehr erfolgte scharf, aber sachlich durch den Staatssekretär 
Dr. Helfferich. Die Mehrheit des Hauses geriet wieder mal in höchste 
Erregung. Am 9. Oktober griff der Abg. Dittmann in maßloser Weise 
die „alldeutsche, von den Militärbehörden geförderte Hetze“ im Heere 
1) Im Heere hatte der sog. Vaterländische Aufklärungsdienst eingesetzt, dessen 
Ziel lediglich war, zuversichtlichen Geist und opferfreudigen Siegeswillen in der 
Feld= und Heimattruppe zu wecken und zu erhalten. Von einem „Hineintragen 
der Politik in das Heer“ sollte sich die Aufklärungstätigkeit durchaus fern halten. 
Der Hauptausschuß des Reichstags, der sich später damit befaßte, erkannte die 
Nütziichkeit, ja Notwendigkeit dieser militärischen Maßnahme in vollem Umfange 
an und billigte die aufgestellten Richtlinien.
	        
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