„Demokratie" 83
den sozialistischen Teilen seiner Rede größter Zurückhaltung. Er rechnete
wohl nicht unrichtig, daß bei Durchsetzung der ersteren die weiteren
Ziele der Partei sich mühelos erreichen lassen würden.
Eine kurze Zwischenbemerkung über das Schlagwort „Demokratie“:
Gleichzeitig mit Beginn des Krieges wurde bekanntlich von Eng-
land und Frankreich aus der Versuch unternommen, dem Weltkrieg da-
durch einen tiefen kulturellen Sinn zu geben, daß er als Kampf der
Demokratie gegen den preußischen Militarismus und die deutsche Auto-
kratie hingestellt wurde. Mit dem Eintritt Italiens in den Weltkrieg
(1915) wurde diese Parole mit erneuter Stärke verbreitet, aber sie
hatte immer noch nicht die werbende Wirkung erlangt, die man von ihr
erhoffte. Ganz anders wurde es, als die Vereinigten Staaten diesen
Kampfruf sich zu eigen machten und vollends, als in Rußland die
Revolution ausbrach. Im Lager unserer Feinde versprach man sich
besonders viel davon, nunmehr Deutschland als das einzige, nicht parla-
mentarisch regierte Land hinstellen zu können. Man setzte die Hoffnung
besonders auf die deutschen Sozialdemokraten und die pazifistischen
Organisationen, deren Gedankengänge schon immer vom Auslande
wesentlich bestimmt wurden. Prompt fielen auch die deutschen Demo-
braten aller Schattierungen auf dieses feindliche, lediglich als Kriegs-
mittel zur inneren Zermürbung gedachte Schlagwort herein, anstatt ihm
entgegenzuhalten, daß Deutschland eine Volksmonarchie war und ein
braftvolles und gerechtes, soziales Kaisertum besaß, um das unsd im
Grunde selbst die feindlichen Länder beneideten. —
Auch die Frage der Kreditbewilligung erfuhr auf dem Parteitage
eine bemerkenswerte Zuspitzung. Trotz ihrer Billigung durch den Partei-
tag erklärte der „Vorwärts“ (19. und 24. Oktober), daß für die Be-
willigung außer der Haltung der Regierung zu den annexionistischen Be-
strebungen auch das gesamte Vertrauensverhältnis, beziehungsweise das
Mißtrauen der Sozialdemokraten zur jeweiligen Regierung maßgebend
sein dürfe. Das Zentralorgan sah in der „Verweigerung der Kriegs-
kredite an eine bestimmte Regierung mit der gleichzeitigen Erklärung,
sie selbstverständlich einer anders gearteten Regierung weiter bewilligen
zu wollen, ein letztes im Interesse der Landesverteidigung zu hand-
habendes Mittel“ zur Beseitigung einer Regierung, die für das Land
ein Unheil wäre.
Zu diesem Thema deutete noch der Abg. Lensch auf den Widerspruch
6*