118 Zweites Kapitel
Textilindustriellen bei, die durch hohe Unterstützungen die Abwanderung
zu verhindern suchten in der Furcht, ihre Angestellten dauernd zu ver-
lieren.
Die Heranziehung von Elementen, die sich durch Ehrenstrafen für
den Dienst im Heere unwürdig gezeigt hatten, wurde fallen gelassen,
Vertreter der Landwirtschaft und Industrie verzichteten darauf, da
ein brauchbares Material hierunter nicht gefunden werden konnte. )
Den Schwerpunkt legte das Kriegsministerium auf die Anler-
nunggarbeit, da auf diese Weise noch kv. Leute freigemacht werden
konnten. Diese Anlernung sollte in den Betrieben selbst erfolgen; wo
dies nicht angängig war oder nicht ausreichte, in besonderen Lehrstätten.
Sie ging unter kräftiger Förderung der Arbeitgeber und -nehmer von
statten.
Ein weiteres Mittel, Ersatz frei zu machen, war die Jurückleitung
Kriegsbeschädigter in die bürgerliche Arbeit, die allgemein gute Er-
gebnisse erzielte. Eine Anfang 1916 gestellte Rundfrage ergab, daß
von 178 220 in Ersatzformationen usw. befindlichen arbeitsfähigen Ge-
nesenen nur 332 = 0,29 % Berufsarbeit ablehnten.
Der Jugendfrage legte das Kriegsministerium große Bedeutung
bei. Die Heranziehung der Jugend zur Arbeit in der Kriegswirtschaft
erfolgte in großem Umfange. Leider stand hiermit in engem Ju-
sammenhange die zunehmende Verwilderung der Jugendlichen. Hier-
gegen mußte vorgegangen werden. Die vom Oberkommando in den
Marken erlassene Sparzwang-Verfügung stieß auf heftigen Widerstand,
obwohl sie sich glänzend bewährt hat. Sie fand bei vielen stellvertreten-
den Generalkommandos Nachahmung, andere kamen ohne sie aus.
Die Frau mußte in immer größerem Maße in die Kriegswirtschaft
einziehen, das verlangte die Lage. Erforderlich war nur rechtzeitige
und gründliche Anlernung, Erleichterung eines zeitweiligen Verlassens
der Wohnstätte durch Vermehrung der Unterbringungemöglichkeiten
für die Kinder der Arbeitsuchenden, Einrichtung von Halbtagesschichten
1) Der Gedanke wurde Ausgang 1917 ermeut aufgegriffen. Es fanden eine
Reihe von Einstellungen derartiger Leute — nach Löschung ihrer Vorstrafen —
in die kämpfende Truppe slatt. Jeder einzelne Fall wurde durch eine aus Ver-
tretern des preußischen Ministeriums des Innern, des Justizministeriums und des
Kriegsministeriums bestehende Kommission genau geprlift. Schlechte Erfahrungen
sind meines Wissens nicht gemacht worden. Näheres s. S. 96.