Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Zweiter Band. Heer und Heimat 1914-1918. (2)

184 Drittes Kapitel 
bitkon unter diesen Umständen besser verschoben würde. Ich telegra- 
phierte in diesem Sinne an den Kriegominister, die Folge war, daß die 
Marinebehörden, die mit der Leitung beauftragt waren, den Befehl zum 
Aufschub gaben. Als dann Mitte Oktober losgeschlagen wurde, voll- 
zog sich alles ohne jeden Unfall. Wer weiß, wie es im September ver- 
laufen wäre. 
Mit Libau schloß die Besichtigungsreise; sie hatte mir neben 
manchen Erfahrungen und Anregungen die einwandfreie UÜberzeugung 
gebracht, daß die Front im Osten, gut versorgt, einem neuen Winter 
entgegen gehen konnte. 
Am 24. Oktober begann die deutsch-österreichische Offensive am 
Isonzo, die zu so großen Erfolgen führen sollte. Besondere Freude 
erregte bei uns die Nachricht von der gemachten Beute und den zahl- 
reichen Gefangenen. Leider schmolz der wirkliche Bestand, über den 
das K.M. verfügen konnte, recht zusammen. Zunächst forderte Öster- 
reich einen Teil, der ihm auch in Anbetracht seiner schlechten wirtschaft- 
lichen Lage zugestanden wurde. Dann verschwand sehr viel beim Heere 
selbst, was ja begreiflich, den Gesamtinteressen aber nicht dienlich war. 
Von dem Rest des Materials war noch ein Teil beschädigt, so daß für 
die Verwendung durch das K.M. nur wenig übrig blieb. Jede Stelle 
deo Feldheeres arbeitete auf diesem Gebiet zunächst für sich, diesen 
Vorwurf kann ich nicht verschweigen. Hier hat die Einrichtung der 
Beutekommission auch nicht den gewünschten Erfolg gehabt. 
Der Anfang November brachte die Ernennung des Grafen Hert- 
ling zum Reichskanzler. Wieder ein Fehlschlag. Wer machte denn 
eigentlich diese Torheiten? 4A. 
Gegen die Wahl des Grafen sprachen sein Alter, und die damit 
verbundene geringe Arbeitskraft. Die Zeit verlangte in dieser Hinsicht 
viel, sehr viel. Wer dies nicht leisten konnte, gehörte nicht an die erste, 
ausschlaggebende Stelle des Reiches, wenn er auch noch so große parla- 
mentarische Gewandtheit und Kenntnisse besaß. « 
Dieser Mann hatte nicht die feste Hand, das Reichsschiff durch 
die Brandung zu führen. 
Ich weiß nicht, in wieweit Kriegsminister und O. H. 2 an der 
Wahl beteiligt gewesen sind. Ich glaube, überhaupt nicht. Jedenfalls 
hätte der General v. Stein, der meinen Forderungen in diesem Punkte 
voll zustimmte, gewiß seine mahnende Stimme erhoben.
	        
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