Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Zweiter Band. Heer und Heimat 1914-1918. (2)

188 Drittes Kapitel 
schlichte Feiern beim Tannenbaum, Lichter waren knapp, das schönste 
der Weihnachtslieder: „Stille Nacht, heilige Nacht“ ertönte überall. 
Es sangen die „Hunnen“, die unzivilisierten „Boches“, die „Diebe“ 
und „Mörder“, während die Träger der Kultur mit ihren Kanonen die 
Begleitung machten. 
Friede auf Erden! Wann würde er kommen! Ich hielt mehrere An- 
sprachen und verteilte Eis. Kreuze. Besonders mußs ich der Liebesgaben- 
pakete dankend erwähnen. Wer die Freude der Leute darüber gesehen 
hätte, würde schon hinreichend belohnt gewesen sein. 
Den Abend verbrachte ich dann mit dem gesamten Brigadestab 
und zuletzt mit meinem Adjutanten. 
Nur zu schnell ging die Zeit bei der Brigade herum. Als General 
Wyneken auf Urlaub ging, wurde ich mit der Führung der Div. beauf- 
tragt. Aus einer lieb gewordenen Umgebung mußte ich fort. Die dank- 
bare Erinnerung an die Zeit und besonders an meine Stützen, die Herren 
des Stabes, wird mir bleiben. 
Ich siedelte nach Morseele über, in ein zwar größeres, aber weniger 
gemütliches Unterkommen, da die beiden Räume recht kalt waren und 
mit Kohlen sparsam umgegangen werden mußte. 
Der Stab setzte sich nur aus 3 aktiven Offizieren zusammen, die 
anderen waren Lehrer, Kaufleute, Pfarrer, höhere Beamte, gewesene 
Offiziere, Ingenieure. Der schlagendste Beweis gegen die Behauptung 
mancher Abgeordneter, daß Offiziere des Beurlaubtenstandes nicht zu 
den höheren Stäben kämen. Soweit es sich zahlenmäßig feststellen ließ, 
wurden bei den Frontregimentern verhältnismäßig fast doppelt so viel 
Offiziere des Friedensstandes verwendet, als solche des Beurlaubten- 
standes. Es ergab sich, daß verhältnismässig mehr als viermal so viele 
Offiziere und Fähnriche des Friedensstandes gefallen waren als Offi- 
ziere des Beurlaubtenstandes. 
Bei den Stäben wurden, abgesehen von den Generalstabsoffi- 
zieren, möglichst nicht ko. Offiziere und solche des Beurlaubtenstan- 
des verwendet. Ein Teil der Adjutanten und Ordonnanzoffiziere, der 
die Kommandeure zu begleiten und Aufträge in vorderster Linie zu er- 
füllen hatte, mußte allerdings kv. sein. Auch unter den Generalstabs- 
offizieren befanden sich Offiziere mit schwerer Verwundung, die noch 
imstande waren, die ihnen zufallende Arbeit zu leisten. So war 1918
	        
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