Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Zweiter Band. Heer und Heimat 1914-1918. (2)

196 Drittes Kapitel 
ersetzt würden, so daß er nur mit Mühe seinen Abschnitt genügend be- 
setzen könne. Diese schlechte Versorgung mit Ersatz kam daher, daß 
die O. H. 2. den ihr von der Heimat zugeführten in erster Linie den 
Divisionen gab, die für weitere offensive Unternehmungen bestimmt 
waren. Die anderen bekamen fast nichts, so daß ihre Stärken erheblich 
zurückgehen mußten. 
Ich suchte dann noch die 4. Armee in Thielt auf und fuhr am 
Nachmittag nach Zeebrügge, um mir ein Bild von dem englischen 
Uberfall daselbst zu machen. Der Gedanke und die Ausführung machten 
auf mich Eindruck; es war ein schneidiger Streich, dessen Gelingen an 
einem Haar gehangen hatte. Den Abend verbrachte ich in dem bekann- 
ten Kreise des gastfreien Oberkommandos, dann ging es nach Berlin 
zurück. 
Die Reise war mein Abschied von der Front. Mein Gesamteindruck 
ging dahin, daß die Disziplin nachgelassen hatte, besonders bei der 
2. Armee, und daß die Gefechtsstärken vielfach recht gering waren, im 
übrigen die Front im allgemeinen feststand. An Kriegsgerät fehlte es 
nicht. 
Ende Mai begann die Offensive zwischen Aisne und Marne. Sie 
brachte, watz das Oberkommando erwartet hatte. In glänzendem An- 
lauf gelang es, die von der O.H.2 bezeichnete Linie zu erreichen. Als 
die O. H. 2. die Fortsetzung der Operationen befahl, ging der Siegeslauf 
weiter. 
Ende Juni begleitete ich den Kriegsminister nach Spaa. 
General Ludendorff legte uns nochmals die wenig günstigen Ersatz- 
verhältnisse der Front dar und schlug Wege vor, um in der Heimat Er- 
satz zu bekommen. Ich konnte seinen Ausführungen zustimmen. Seine 
Vorschläge waren aber nicht neu, und die zu ihrer Verwirklichung not- 
wendigen Wege längst beschritten worden. Ich konnte sie nur beim 
Chef des Kriegsamts, der leider nicht anwesend war, mit Nachdruck 
nochmals unterstützen. Eine erhebliche Besserung der Ersatzverhältnisse 
konnte aber nicht erhofft werden, dafür hätte es nur ein Mittel gegeben: 
Rückkehr zum alten Standpunkt des A.D.: Kompromiß zwischen Heer 
und Kriegsowirtschaft, bei dem aber das Heer den Vorrang hatte. Dem- 
zufolge sofortige Einstellung von Hunderttausenden reklamierter Arbei- 
ter in das Feldheer und Verminderung der Leistungen in der Kriegs- 
wirtschaft.
	        
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