Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Dritter Band. Wehr und Waffen 1914-1918. (3)

128 Neuntes Kapitel 
Krieges und das damit verbundene Verantwortungsgefühl hatten unter 
dem Ernst. der Zeit in weiten Kreisen zugenommen. Andererseits war 
das Interesse an Fragen der inneren Politik gewachsen. Die Erörte- 
rungen der wirtschaftlichen und Ernährungsschwierigkeiten mit ihren 
Klagen, Wünschen und Vorschlägen mußten einen Weg in die Offent- 
lichkeit haben, um sich zu klären. Dies Sicherheitsventil gegen an- 
gesammelte Unzufriedenheit und Kleinmütigkeit durfte nicht fehlen. 
Eine ungehinderte Versammlungstätigkeit war in vielen Fällen 
erwünscht, damit zuverlässigen Führern Gelegenheit gegeben werden 
konnte, Klagen und Wünsche der Arbeiterschaft kennenzulernen und be- 
ruhigend und aufklärend auf sie einzuwirken. 
Die meisten Klagen über die Handhabung des Versammlungs- 
rechtes beruhten auf der Ungleichmäßigkeit des Verfahrens. Es wurde 
nicht verstanden, daß auf Grund des Kriegszustandes unter sonst 
gleichen Umständen an verschiedenen Orten abweichende Bestimmungen 
erlassen wurden. 
Das Kriegsministerium sah sich daher Anfang 1917 veranlaßt, 
im Einverständnis mit den obersten Reichs- und Staatsbehörden Grund- 
sätze, die sich aus den Erfahrungen des Oberkommandos in den Marken 
ergeben und gut bewährt hatten, in allen Korpsbereichen zur An- 
wendung zu empfehlen. 
Diese Grundsätze besagten: Offentliche Versammlungen bedürfen 
der Genehmigung der Ortspolizeibehörde, die spätestens 48 Stunden 
vor Beginn der Versammlung einzuholen ist. Die Erteilung oder Ver- 
weigerung dieser Genehmigung sowie auch eine etwa notwendig wer- 
dende Auflösung derartiger Versammlungen erfolgt durch die Ortspolizei 
unter eigener Verantwortung. 
Bindende Bestimmungen bestehen nur insofern, als öffentliche 
Versammlungen politischer Parteien oder diesen gleichzuerachtender 
Vereinigungen in keinem Falle gestattet werden dürfen. 
Alle nicht öffentlichen Versammlungen politischer Vereine sowie 
alle diejenigen Versammlungen, in denen öffentliche Angelegenheiten 
erörtert werden, sind vom Vorstand oder vom Einberufer mindestens 
48 Stunden vor dem Beginn der Versammlung unter Angabe des 
Ortes, der Zeit, des Verhandlungsgegenstandes und der Redner bei der 
Polizeibehörde schriftlich anzuzeigen. 
Bei öffentlichen und nicht öffentlichen Versammlungen ist neben-
	        
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