22 Zweites Kapitel
Trotz der konstruktiven Vollkommenheit und der damit im Zu-
sammenhang stehenden denkbar größten Einfachheit der Munitions-
ausstattung der Feldgeschütze wurden im Kriege viele Anderungen not-
wendig und mußte anderen Notwendigkeiten gehorchend die sonst so
wünschenswerte Einfachheit der Munitionsausstattung bald verlassen
werden. Obwohl im Laufe des Krieges immer das Streben vorhanden
war, die Ausstattung so einfach wie möglich zu halten oder wieder
zu machen, da die Fertigung und der Munitionsnachschub durch jede
neue Munitionsart neu erschwert wurde, so vermehrten sich die Mu-
nitionsarten im Laufe des Krieges doch immer mehr, und am
Schlusse des Krieges war bei der Feldkanone und der leichten Feld-
haubitze eine große Zahl verschiedener Geschosse und Zünder in Ver-
wendung. ·
Auch war sehr störend für die Fertigung, daß Heer und Marine
wohl ähnliche oder gar gleiche Kaliber hatten, aber ganz verschiedene
Zünderkonstruktionen. Gerade ihre Verschiedenheit erschwerte die Mengen-
fertigung ganz ungemein.
Diese Entwicklung stand in erster Linie unter dem Einfluß der
Rohstoffbeschaffung und der Fertigungsmöglichkeit, dann aber auch
unter dem Einfluß der Anforderungen, die auf Grund der Kampf-
erfahrungen neu an die Wirkung und Beschaffenheit der Munition ge-
stellt werden mußten.
Die wesentlichsten Umstände, die Neu= und Umkonstruktionen der
Munition der Feldgeschütze nötig machten, waren:
1. Der hohe Munitionsbedarf und die Fertigungs=
möglichkeit. Die Einheitsgeschosse beider Geschütze, insbesondere die
Zünder waren so kunstvoll in ihrem Aufbau und schwierig in der Be-
arbeitung, daß sie nur von den im Frieden eingearbeiteten Fabriken
gefertigt werden konnten. Für die Massenfertigung, die infolge des
ungeahnten Munitionsverbrauchs notwendig würde, waren sie nicht
geeignet. Auf diesen Ubelstand hatte ich als Mobilmachungereferent
s. It. hingewiesen und es als meine Rlicht erachtet, meine Stellung-
nahme schriftlich niederzulegen. Junächst mußte auf einfachste Kon-
struktionen, die in jeder Werkstatt mit einfachen Drehbänken und
Fräsmaschinen hergestellt werden konnten, übergegangen werden, um
die Munitionsversorgung sicherstellen zu können. Für diesen Fall waren,
wie an anderem Ort erwähnt, schon im Frieden einfache Aushilfsgeschosse