Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Dritter Band. Wehr und Waffen 1914-1918. (3)

Gründe des Munitionsmangels 87 
Was brauchte das Heer an Munition? Das schon angeführte 
Schreiben des stellv. Chefs des Generalstabes beantwortete diese Frage 
nicht. Mit der Beantwortung: „Möglichst viel!“ war nichts anzu- 
fangen, denn beim Beginn des Baues von neuen Stickstoffabriken — 
als Grundlage für die Munitionsfertigung — mußte ein ganz bestimm- 
ter Umfang der Anlagen vorgesehen werden. Das Kriegsministerium 
versuchte, die Frage selbst zu beantworten. Es ist ein Irrtum, und die 
Darstellung ist völlig unberechtigt, daß der Chef des Generalstabes 
bereits im Frieden die in einem Kriege kommende Munitionsnot er- 
kannt und daß das Kriegsministerium trotz der entsprechenden Vor- 
schläge des Generalstabes zur Abhilfe zu den erforderlichen Maßnahmen 
nicht bereit gewesen wäre. Uber die bereitzustellenden Munitionsmengen 
war in den letzten Vorkriegsjahren Einigkeit zwischen dem Generalstab 
und dem Kriegsministerium erzielt worden. Von diesem waren die 
erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Bei Ausbruch des Krieges waren 
die geforderten Munitionsmengen im vollen Umfang noch nicht bereit- 
gestellt. Im Verhältnis zu dem, was wirklich gebraucht wurde, war 
der Unterschied zwischen den Munitionsmengen, die der Generalstab 
schon im Frieden niedergelegt wissen wollte und den in Wirklichkeit 
vorhanden gewesenen Munitionsmengen aber recht unbedeutend. Dieser 
Unterschied würde die Munitionsnot in gar keiner Weise überbrückt 
haben. Was uns, dem Generalstab ebenso wie dem Kriegsministerium, 
gefehlt hat, und was auch bei unseren Gegnern nicht anders war, war 
die richtige Einschätzung des Munitions= und Kriegsgeräts-Bedarfs und 
infolgedessen die Erkenntnis der Notwendigkeit, eine wirtschaftliche Mo- 
bilmachung vorzubereiten. Der Hauptgrund für die Munitionsknappheit 
lag darin, daß wir uns wie alle kriegführenden Staaten über den 
Bedarf ungeheuer geirrt hatten und darin, daß wir mit einem unvor- 
hergesehen langen Krieg zu rechnen hatten, der uns in Rohstoff- 
schwierigkeiten bringen mußte. 
Ungewohnte Kriegsverhältnisse, in die Truppe und Führung sich 
erst einleben mußten, mangelhaftes Verständnis der Truppe für die 
Nachschubmöglichkeiten, Verwendung von Schnellfeuergeschützen wirkten 
obendrein der unbedingt gebotenen Sparsamkeit im Munitionsverbrauch 
entgegen. — 
Bei der schweren Artillerie, die trotz der großen Reserven, die sie in 
ihren Festunngsbeständen besaß und auf die sie infolge glücklichen Ver-
	        
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