Full text: Sächsische Volkskunde.

90 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 
Bischof Gerung von Meißen 1154 Vlamingen angesetzt. An der Elbe saßen 
niederländische Kolonisten in fast ununterbrochenem Zuge von Krakau bei 
Magdeburg an über Gommern, Leitzkau, Zerbst, Aken, Dessau, Wörlitz, Pratau, 
Wittenberg-Jüterbog, Pretzsch, Prettin, Torgau bis hinüber nach Löbnitz an 
der Mulde und zur schwarzen Elster bei Ubigau und Schweinitz. Es sind 
vorzugsweise die Kolonisten Albrechts d. B. und des Magdeburgers Wichmann, 
denen wir hier begegnen. 
Das Erzgebirge freilich wurde von den Niederländern gemieden. Sie 
zogen die flache Ebene den Bergen und, besonders die Holländer, die Ur- 
barung weiter, mit Buschwerk und Riedgras bestandener Fluß= und Sumpf- 
niederungen dem Roden des steinigten Urwaldes vor. Nur Flemmingen un- 
weit Waldheim und Flemmingen bei Altenburg deuten auf abgesprengte Teile 
hin, und bekannt sind die Holländer „qui et Flamingi nuncupantur“ in 
Tribune-Flemmingen bei Kösen, die dort schon von den Cisterziensern beie 
ihrer Niederlassung in Pforte um 1140 vorgefunden wurden. 
So haben alle Stämme des Reiches beigetragen zur Besiedelung unsers 
Landes, wie des deutschen Ostens überhaupt, und aus dieser Mischung, nicht 
aus der mit Slawenart, ist schließlich jener kolonialdeutsche Charakter hervor- 
gegangen, der bei dem Märker am schärfsten ausgeprägt erscheint. 
Doch nicht aus dieser Mischung allein, sondern bestimmend traten vor 
allem hinzu die Bedingungen, unter denen Land und Leute sich bildeten. 
Der Kampf mit den Unbilden des Landes, mit feindselig gesinnten Umwohnern 
und Nachbaren, erforderte und erzog rasch durchgreifende, rücksichtslose, zäh 
festhaltende Art. Auf sich allein gestellt, losgelöst von der Hilfe der Sippe, 
von Sitte, Recht und Lebenshaltung der Heimat; gezwungen, voraus- 
setzungslos, ohne Anknüpfung an Altererbtes, ihr neues Heim zu gründen 
und ihre Zukunft zu bauen, entwickelten die Kolonisten jenes bis zur Über- 
hebung gesteigerte Selbstvertrauen und jenen oft gescholtenen Egoismus, wie 
ihn koloniales Leben fast immer erzeugt, aber zugleich jenen durch und durch 
praktisch-verständigen Sinn, jene Unternehmungslust, verbunden mit kühl ab- 
wägender Klugheit, kurz, jene hervorragende wirtschaftliche und politische 
Begabung, ohne die weder Sachsens noch Preußens geschichtliche Entwickelung 
möglich gewesen wäre und verständlich erschiene. 
b) Die Kolonisatoren. 
Als Kolonisatoren kommen naturgemäß außer den Landesherren alle 
Grundherren in Betracht, die über genügenden Raum zur Anlegung eines 
Kolonistendorfes verfügten. 
Die Landesherren treten in unserem Gebiet nicht als Kolonisatoren 
so großen Stils hervor, wie etwa Erzbischof Wichmann, Albrecht der Bär, 
Heinrich v. Botwide und die Schauenburger Grafen. Die Lage der Fürsten
	        
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