92 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
schreiben. Etwa 100 Jahre später finden wir eben dort den Weihbischof
Franko, der Güter ankauft und verkoppelt, rationelle Flureinteilung durch-
führt, Wildland umreißt, die entfernteren Felder gegen Erbzins austhut, die
Gärtnerstellen auf dem Herrenhof vermehrt und vererbpachtet, und so die
Erträge um ein Vielfaches steigert.
Ein sehr großes Interesse an Rodung und Urbarung überhaupt, nicht
bloß auf ihren Gütern, erwuchs der Kirche aus dem ihr zustehenden Noval-
zehnt, den sie (wie auch gelegentlich Wald und Rottland) durch Bann, Be-
gräbnisverweigerung, päpstliche Briefe und andere kirchliche Machtmittel sich
zu sichern bemüht war.
Von besonderem Interesse ist die Stellung der Klöster zur Koloni-
sation. Hier macht sich ein wesentlicher Unterschied bemerkbar zwischen denen
der älteren und denen der neueren Orden; besonders also zwischen den
Benediktinern und den Cisterziensern. (Die Prämonstratenser kommen für
unsere Gegenden kaum in Betracht.) Auch die älteren Klöster (auf dem
Petersberge bei Halle, Pegau, Bosau, Zschillen u. a.) waren natürlich an
der Hebung des Anbaues in ihrer Umgebung sehr interessiert und begünstigten
diesen schon der Zehnten und reicherer Schenkungen wegen. Sie wurden
auch thatsächlich in kurzer Zeit bedeutende Mittelpunkte einer rasch auf-
blühenden Kultur. Aber von eigener kolonisatorischer Thätigkeit, durch An-
setzung von Bauern oder durch Errichtung eigener Wirtschaftsbetriebe auf
Rottland, hören wir nichts.“) Sie suchten Besitz und Einkünfte anscheinend
ausschließlich durch den Erwerb bereits angebauter Zinsgüter und Dörfer zu
mehren, auf deren wirtschaftliche Entwickelung sie allerdings dann förderlichen
Einfluß nehmen mochten. Ihre Wirtschaftshöfe waren im wesentlichen nur
Hebestellen der Zehnten und Zinsen, und dem gleichen Zweck dienten die
kleinen Töchterklöster, die „cellulae“, die in entfernteren größeren Güter--
komplexen öfters errichtet wurden.
Anders verhält es sich mit den Cisterziensern. Diese waren durch
ihre Ordensstatuten ganz auf eigenen Arbeitserwerb und Ackerbau hingewiesen.
Sie sollten weder zinsende Dörfer und Renten von Mühlen und anderen
gewerblichen Anlagen besitzen, noch auch mit gelehrter Thätigkeit und externer
Seelsorge sich befassen. Sie bewirtschafteten ihre Ländereien selbst mit Hilfe
der Laienbrüder, unter denen ganz hervorragende wirtschaftliche Talente be-
kannt sind. Erstaunlich waren ihre Leistungen und Erfolge in der Urbarung
*) Eine Ausnahme machen die Benediktiner von München-Nienburg, die (gleich
den Prämonstratensern von Gottesgnaden) auf ihren Besitzungen an der unteren Mulde
nach Entfernung der Wenden deutsche Bauern ansetzten (der reicheren Zehnten wegen)
und 1159 zwei kleine Weiler bei Dessau an vlämische Kolonisten verkauften. Offenbar
ging aber die Initiarive nicht von den Mönchen aus, sondern von Albrecht d. B, dem
Vogt und Schutzherrn des Klosters.