Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 93
sumpfiger Niederungen und Brüche und wilder Waldthäler. Bei jeder Neu-
gründung nahmen die Ausziehenden Sämereien und Pflanzen mit in die
neue Heimat, und die jährlichen Visitationen, die stete Verbindung mit dem
Mutterkloster und den vier Hauptklöstern in Frankreich, hielten wirtschaft-
lichen Sinn und Kenntnis der Fortschritte des Westens stets wach und wirksam.
So trugen sie Kultur und Lebensbehagen in die unwirtbaren Oden des
Ostens, und ihre „Grangien“ wurden bewunderte und nachgeahmte Muster-
wirtschaften, in der Technik des Anbaus ebenso wie in dem rationellen Be-
trieb, in der Anwendung der vollkommeneren Werkgeräte des Westens und
in der Pflege von Specialkulturen.“)
Aber eins thaten sie nicht, in unserm Lande wenigstens nicht. Keine
einzige der vielen erhaltenen Urkunden meldet uns eine Ansetzung von Kolo-
nisten und eine Dorfgründung durch die Mönche in Pforte, in Alt-Zelle, in
Buch, in Grünhain. Wohl aber zeigen sie öfters, wie die Bauern der
Großwirtschaft des Klosters weichen mußten. Denn der Erwerbung von
Wildland wurde, je später, desto mehr, die Erwerbung besetzter Hufen vor-
gezogen, um nach Auskauf der Bauern darauf die Großbetriebe ihrer Wirt-
schaftshöfe, der „Grangien", zu errichten.
Während die Cisterzienser im entfernteren slawischen Osten von Anfang
an mit Eifer die Ansetzung deutscher Bauern und die Anlage deutscher Dörfer
betrieben und gerade in dieser Absicht von den Fürsten herbeigezogen wurden,
hielten sie also in unserer Gegend sich anscheinend genau an die Satzungen
des Ordens.
Aber doch nicht ganz. Das Verbot, zinsende Hufen 2c. zu besitzen,
erwies sich auch bei uns, wie im ganzen Osten, als unhaltbar. Mochten die
Kosten der Neukulturen hier mehr Kapital erfordern, als die Mutterklöster
aufwenden konnten, oder mochten die letzteren nicht aus eigenem Antriebe,
sondern nur dem Drängen der Fürsten folgend das von diesen begründete
und dotierte Kloster mit Mönchen versehen: kurz, von Anfang ihres Bestehens.
an erscheinen die Klöster mit reichen Zinseinkünften begabt, die dann durch
Erwerb und Schenkung einzelner Hufen und ganzer Dörfer in rascher Folge
bedeutend vermehrt wurden. Mehr und mehr zog man dann schließlich die
Kapitalanlage in Zins= und Rentenkäufen den mühsamen Kultivationen und
Rodungen vor, und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts gab man sogar
nach und nach die alten Eigenwirtschaften auf und that die Felder der Gran-
gien gegen Erbzins an Bauern aus.
*) Obst, Wein, Handelsgewächse 2c. Die Anlage von Weinbergen und Wein-
pflanzungen wurde besonders eifrig von den Klöstern und der Kirche betrieben. Vgl.
meine Kolonisierung S. 376 u. bes. S. 187. — Leider ist an letzterer Stelle (Note 5)
ein unangenehmer Druckfehler stehen geblieben, der sich S. 171 wiederholt: es muß —
wie übrigens schon der Inhalt ergiebt — Borgau (— Burgau) heißen statt Torgau.