Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 95
und ihren Führern in Verbindung traten. Ferner zeigte sich, daß die Klöster
zwar Rodungen vornahmen, aber mit eigenen Arbeitskräften und zur Er—
richtung eigener Wirtschaftshöfe, daß sie aber nur ganz ausnahmsweise sich
mit der Ansetzung von Kolonisten befaßten.
Es fragt sich also, wer denn nun eigentlich die weit ausgedehnten
Waldgebiete und Brüche, die im Besitz der Fürsten und der Kirche waren,
den Kolonisten zugänglich gemacht und so dem Anbau erschlossen hat. Die
Antwort lautet: soweit sich aus den vielen uns vorliegenden Urkunden schließen
läßt,) vornehmlich die mittleren und kleinen Herren; die Ritter und
Ministerialen, zu denen sich später auch Bürger gesellten. — Ihnen wurde
das betreffende Stück Land oder ein ausgedehnter Distrikt als Lehen über-
tragen, und ihre Sache war es nun, für Besetzung und Ausnutzung zu sorgen.
Wie früher im Westen die jüngeren Söhne der Mark= und Dorfgenossen
neue Hofstätten in Wald und Heide begründet hatten, so errichteten jetzt
jüngere Söhne der alten Rittergeschlechter neue Sitze auf Waldlehen oder
suchten doch von dorther ihre Einkünfte durch die Zinse der angesetzten
Bauern zu mehren.
Nach zwei Richtungen hin waren also die kleinen Herren kolonisatorisch
thätig: 1. durch Ausbau und Umbau ihrer alten Besitzungen, der vorgefundenen
Sorbendörfer, nebst den oft nicht unbeträchtlichen Waldmarken, die dazu ge-
hörten; 2. durch Ansiedlung von Bauern auf Wald= und Bruchländereien,
die ihnen von den Fürsten, von der Kirche, von den großen Grundherren zu
diesem Zwecke zu Lehen gegeben waren.
Wenden wir uns zunächst zu den Vorgängen der ersten Art.
Der Ausbau der alten Sorbenweiler hatte zweifellos bereits in der
ersten Periode begonnen, indem der Besitzer durch seine hörigen Grundsassen
Rodungen vornehmen ließ und die Rottäcker entweder zu seiner eigenen
Wirtschaft zog, oder sie jenen gegen Ertragsquote zu prekärem Besitz (ohne
Verfügungs= und Vererbungsrecht) überließ. Das Verfahren wird auch in
der zweiten Periode fortgesetzt sein, nur in etwas modificierter Weise, beein-
flußt durch die Art der deutschen Besiedelung. Die angesetzten Sorben, um
die es sich hier ja zumeist handelte, erhielten bestimmter umgrenzte Teile der
*) Diese kleingrundherrlichen Besitzungen bestanden nicht aus Streuhufen, sondern
umfaßten die ganzen Marken der Sorbendörfer, Kulturland und Zubehör an Wald und
Weide.
**) Neben direkten Nachrichten über kolonisatorische Thätigkeit der Ritter sind be-
sonders die Erwerbungsurkunden und Besitzregister der Klöster zu beachten. Sie zeigen,
wie die meisten durch Kauf oder Schenkung erworbenen Ortschaften (bezw. die Einkünfte
aus ihnen), die schon durch den Namen als neuentstandene deutsche Siedelungen kenntlich
sind, ursprünglich im Besitze von Angehörigen der alten ritterlichen Geschlechter des
Landes sich befanden.