Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 99
Alle drei Fälle lassen sich noch jetzt auf den Flurkarten deutlich erkennen
und nachweisen. Besonders häufig erscheint das Herrengut in großen Blöcken
am Ende des Dorfes, während die bäuerlichen Felder in Gewanne und
schmale Gewannstreifen aufgeteilt sind. Zu dem Dominium gehört fast aus-
nahmslos alles, was von Wald, Weide und Wiese an den Grenzen der Ge-
markung liegt, ein Beweis, wie jene oft unbestimmten Eigentums= und
Nutzungsrechte an Wald und Weide schließlich zu alleinigem Eigentumsrecht
des Gutsherrn unter völligem Ausschluß der Bauern führten.
Diese Ansetzung von Kolonisten zwischen und in den alten Sorben-
dörfern, so wichtig sie für die Germanisierung des Landes war, tritt aber an
Bedeutung doch weit zurück gegenüber der Besiedelung der weiten Brüche und
Waldgebiete, die sich noch meilenweit im Flachlande und fast unabsehbar im
Gebirge dehnten. Hier erscheinen die kleinen Herren geradezu als gewerbs-
mäßige Unternehmer der Kolonisation.
Die Beweggründe, welche sie dazu veranlaßten, liegen ziemlich klar zu
Tage.
Ein großer, wahrscheinlich der größte Teil von ihnen entstammte, wie
wir sahen, niederen Kreisen. Als „milites agrarii“, als Dienstmannen bäuer-
licher Art, waren sie ins Land gekommen und hatten dort ein kleines Lehen,
eines der kleinen Sorbendörfer mit insgesamt vielleicht 100—150 ha Acker-
land erhalten.
In der ältesten Zeit genügten die Erträge davon für ihre Bedürfnisse. In-
zwischen war aber ihre soziale Stellung bedeutend gehoben; das 11.—12. Jahr-
hundert brachte auch hier die endgültige berufsmäßige Scheidung zwischen
bäuerlicher und ritterlicher Art. Als ritterliche Ministerialen verschmolzen sie
allmählich mit den früheren Edlen zu dem führenden Stande des ritterlichen
Lehnsadels. Zugleich war die allgemeine Lebenshaltung bedeutend gestiegen,
teils unter dem Einfluß der westlichen Entwicklung, vor allem aber unter
dem der Kreuzzüge, die ganz andere Lebensanschauungen und vorher unbe-
kannte Bedürfnisse auch in den ritterlichen Kreisen verbreiteten.
Von jenem kleinen Gut allein noch rittermäßig zu leben wurde zur Un-
möglichkeit. Der Besitzer mußte schließlich in halbbäuerliche Verhältnisse zu-
rücksinken, wenn es ihm nicht gelang, neue Einnahmequellen zu erschließen.“)
Man mußte also unter allen Umständen versuchen, Vermögen und Ein-
Gärtnern (Hortulani) geleistet, die seit dem 13. Jahrhundert zahlreich in Ortschaften, in
denen ein Herrengut lag, erscheinen. Seit dem 15. Jahrhundert wurden sie auch von
Bauergütern abgebaut.
*) Auf diese Weise mögen die Sattel= oder Sedelhöfe, ein Mittelding zwischen
Rittergut und Bauergut, entstanden (oder zurückgeblieben) sein. Sie finden sich besonders
nach der Saale und Elbe zu, wo eine Beteiligung der kleinen Herren an der Kolonisation
durch verschiedene Ursachen erschwert war.
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