Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 101 
Bisweilen aber setzte der Grundherr sich auch nachträglich in solchem 
Dorfe fest. Er zog die Erbscholtisei ein oder kaufte sie an, übergab die Ver— 
waltung des Schulzenamtes einem „Setzschulzen“ oder „Setzrichter“ (gegen 
Abgabenfreiheit) und errichtete auf den Scholtisei-Hufen (auch auf erledigten 
oder angekauften Bauerhufen) sein Dominium. — Auf diese Weise ist seit 
dem 14. und 15. Jahrhundert eine große Anzahl der Rittergüter entstanden, 
die später in den Gebirgsdörfern sich finden. 
Wie einträglich solche Dorfgründung für den Grundherrn sein konnte, 
zeigt eine von Meitzen aufgestellte Berechnung. Meitzen nimmt an, daß 
ein Gebirgsdorf in der durchschnittlichen Größe von 50 Waldhufen neben 
dem Dominial-, Pfarrei= und Erbrichtergut etwa 40 zinspflichtige Bauer- 
güter enthalten habe. Jedes derselben zinste, je nach Beschaffenheit des Bodens 
und Ausdehnung des Ackerlandes, ½——1 Malter Dreikorn (d. h. Weizen, 
Roggen und Hafer; auf geringerem Boden nur Roggen und Hafer:) außer- 
dem an barem Gelde /— ½/ Mark (damaligen Geldes). — „Wenn der 
Grundherr auch nur ein einziges solches Dorf besaß (die meisten Ritter be- 
saßen mehrere), war der Unterhalt seiner Familie durch etwa 360 Scheffel 
Getreide und 15 Mark anscheinend reichlich gedeckt, so lange er nicht mit einem 
größeren Gefolge von Reisigen auftreten wollte.“ — Hierbei sind also die 
Gerichtsgefälle und eine Reihe von kleineren und besonderen Abgaben und 
Leistungen, die sich schon im 13. Jahrhundert finden, gar nicht in Anschlag 
gebracht. Es liegt auf der Hand, daß so gewinnbringende Unternehmungen, 
sobald sie einmal von einigen begonnen waren, rasch Nachahmung fanden 
und in relativ kurzer Zeit bis an die Grenze des Möglichen, d. h. bis zur 
Grenze der Anbaufähigkeit des Bodens (und darüber hinaus) geführt wurden. 
Fraglich ist es, ob nicht bisweilen der kleine Ritter lediglich als Lokator im 
Auftrag des Landesherrn (bezw. des großen Grundherrn, der Kirche u. s. w.) 
fungierte, ohne das für die Kolonie bestimmte Land zu Lehen zu erhalten. 
In diesem Falle wäre ihm für die Anlegung und Besetzung des Dorfes die 
Erbscholtisei oder das Erbrichteramt mit seinen abgabenfreien Hufen und 
allen Bezügen und Rechten zu Teil geworden,!) während das Obereigentum 
an den bäuerlichen Hufen dem Landesherrn verblieben wäre. 
Diese Art der Besiedelung — aus unsern Urkunden leider nicht, wie 
in Mecklenburg und Pommern, deutlich erweisbar — führt uns zum Schluß 
auf diejenigen Neuanlagen, die ohne grundherrliche Mittelsper- 
sonen aus unmittelbaren Beziehungen der Einwanderer und ihrer Führer 
*) Das er event. weiter verleihen oder veräußern konnte. — Auch auf diese Weise 
ließen sich die Angaben des Lehnbuches von 1349 erklären, nach denen bisweilen die 
Ritter in einem Dorfe nur die „scultetia“ oder auch „dimidiam scultetiam“ oder 
„ feodalem cum equc“, „Scultetum“, „vasallum ab eo beneficiatum“ u. s. w. besaßen.
	        
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