102 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
zu den Besitzern der großen Waldgebiete, zumeist also zum Landesherrn, her-
vorgegangen sind.
Hier entstanden natürlich reine Bauerdörfer, ohne Herrschaftsgut und
darauf bezügliche Leistungen. Ofters liegt diesen Kolonien, besonders nieder-
ländischen, ein schriftlicher Vertrag zu Grunde, wie er aus unserm Gebiete
in der Besiedelungsurkunde für Kühren vom Jahre 1154, zwischen dem
Bischof von Meißen (als Herrn des Landes Wurzen) und den Führern der
vlämischen Kolonisten, erhalten ist.
Im übrigen war das Verhältnis des Landesherrn zur Kolonie ganz
das des Grundherrn. Der Führer der Kolonisten, häufig von diesen durch
Wahl bestimmt, leitete die technischen Arbeiten der Vermessung und Hufen-
abgrenzung und trat dann als Erb= oder Lehnrichter an die Spitze des Dorfes.
Anlagen dieser Art fanden indes, wie schon erwähnt ist, in unserm
Lande anscheinend nur selten statt.
Soweit die uns vorliegenden Urkunden ein bestimmtes Urteil zulassen,
überwogen weitaus die Dorfgründungen durch Vermittlung der kleinen Grund-
herren. Es ist bezeichnend, wie überaus oft uns als Besitzer (bezw. als
Verkäufer) der erzgebirgischen Dörfer im 13. und 14. Jahrhundert Angehörige
solcher Rittergeschlechter begegnen, die sich nach einem der vielen kleinen sor-
bischen Dörfer und Weiler der ältesten Zeit benennen und großenteils auf
jene halbbäuerliche Dienstmannen des 9. bis 11. Jahrhunderts zurückweisen.
Anscheinend verdanken die meisten von ihnen thatsächlich ihrer kolonisatorischen
Thätigkeit jene günstige materielle Lage, die ihnen den Anschluß an die vor-
nehmere Ministerialität und an den freien Lehnsadel und die Teilnahme an
dem glänzenden ritterlichen Leben, wie es schon unter Heinrich dem Erlauchten
sich entfaltete, möglich machte.
c) Die Ansetzung der Kolonisten.
Die Ansetzung der Kolonisten vollzog sich in unserm Gebiet in gleicher
Weise und unter gleichen Bedingungen, wie in den angrenzenden Ländern.
Als Grundzüge lassen sich etwa folgende hinstellen: Nach mündlicher oder
schriftlicher Vereinbarung der Bedingungen wurde unter Leitung des „Lokators“
(das war entweder der Grundherr selbst bezw. sein Beauftragter, oder aber
der Führer der Kolonisten) das Land aufgemessen und in soviel gleichgroße
oder besser gleichwertige „Hufen“ aufgeteilt, als Bauerstellen errichtet werden
sollten. Zugleich wurde der Platz für das Dorf gewählt und die einzelnen
Hofstätten nebst Gartenland ausgemessen und verteilt. Die Hufen durch-
zogen entweder einheitlich geschlossen in langen Streifen die Flur, ausgehend
von der arena, dem bäuerlichen Gehöft, oder sie „lagen im Gemenge“, d. h.
sie setzten sich aus zahlreichen Streifen der einzelnen großen Feldabschnitte,