104 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
Urkunden wenig. Man hatte zur Zeit der Kolonisation wenig Anlaß, dar-
auf einzugehen. Die Absicht des Grundherrn ging damals nur auf die
Begründung eines dauernden Zinsverhältnisses. War der Fortbezug der
Rente gesichert, so konnte es ihm gleichgültig sein, von wem er sie erhielt.
Immerhin deutet manches auf die Beschränkung des Veräußerungsrechtes
durch nötige Zustimmung des Grundherrn hin, und später entwickelte sich
vielfach ein Vorkaufsrecht desselben. Andrerseits findet sich nicht selten ein
„Näherrecht“ der Gemeinde auf erledigte und verkäufliche Hufen; man wollte
auf diese Weise dem Eindringen fremder Elemente in die Nachbargenossen-
schaft wehren.
Dem Grundherrn hatten die Bauern jährlich einen bestimmten mäßigen
Zins in Naturalien und in Geld zu entrichten. Ackerdienste werden in den
Verträgen nicht erwähnt. Wo sie bereits im 13. Jahrhundert in vermut-
lichen Kolonistendörfern sich finden, sind sie auf 3—4 Tage im Jahre be-
schränkt. Bei Dorfgründungen aus wilder Wurzel blieben die Hufen in der
Regel eine Reihe von Jahren frei von allen Abgaben, oder diese steigerten
sich erst nach und nach zu der gewollten Höhe.
Die Kirche erhob den Zehnten vom vollen Ertrage der Ernte, neben
dem Blut= und Fleischzehnt und dem Kleinzehnt. Aber schon früh trat
auch hier fast durchweg Fixierung ein, trotz des Widerstrebens der Geistlichkeit.
Die öffentlichen Leistungen wurden nicht selten gemildert und verringert,
wenigstens für die ersten Jahre.
Persönlich waren die Einwanderer aus dem Westen durchaus frei; wo
die Urkunden neben größerer wirtschaftlicher Belastung auch eine Minderung
der rechtlichen Freiheit durch Erbfall, Bumede, Kopfzins u. s. w. verraten,
haben wir es zweifellos mit angesetzten Unfreien zu thun, nicht mit ein-
gewanderten Kolonisten.
Irn rechtlicher Beziehung erfreuten sie sich großer Selbständigkeit. Für
geringere Sachen war das Schulzengericht zuständig, und auch im Ober-
gericht (Vogtding, Landgericht) fanden Schöffen aus ihrer Mitte, nach ihren
Rechtsanschauungen, das Urteil. Häufig wurde vertragsmäßig bestimmt, daß
der Gerichtsherr oder sein Vertreter drei mal jährlich zur Hegung des
Gerichts zu ihnen kommen sollte, um ihnen den Besuch des entfernten Land-
gerichts zu ersparen; bisweilen heißt es sogar, der Gerichtsherr solle nur auf
Ersuchen bei besonderen Fällen kommen, auf Kosten derer, die ihn luden bezw.
der Schuldigen.“)
Auf den grundherrlichen Gütern waren indes die Keime späterer patrimonialer
Ausgestaltung des Gerichtes von vornherein gegeben. Der Grundherr hatte hier in der
Regel von Anfang an die niedere Gerichtsbarkeit, die der Schulze oder Erbrichter in
seinem Auftrage verwaltete. Schon im 13. Jahrhundert erlangten dann weiterhin die
Grundherren in überaus zahlreichen Fällen auch das Obergericht; nach dem Lehnbuch