Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 115 
wald herüber bis zum Thüringer Wald, in ausgedehnten Strichen mit meist 
grundherrlichen Dorfanlagen bedeckt. Einige darunter zeigen das geschilderte 
Gewannsystem. Aber — abgesehen von dessen vorhin erwähnten Mängeln 
und davon, daß die Gebirgsthäler schon ihrer Konfiguration nach weniger 
zur Zerlegung in Gewannabschnitte sich eigneten,“) erwies sich diese Anlage 
doch nur dann als thunlich, wenn gleich eine größere Zahl von Siedlern zur 
Hand war, die als Genossenschaft das Land übernehmen und sich darauf ein- 
richten konnten. Andernfalls hätte man für die noch zu erwartenden und 
später hinzutretenden Kolonisten eine entsprechende Anzahl von Streifen in 
den Gewannen aussparen und gleichsam aufheben müssen. — Die Vergebung 
in blockförmigen Stücken und die Anlage von Einzelhöfen und Weilern 
führte zu anderweiten wirtschaftlichen Unzuträglichkeiten und zu mangelhafter, 
nicht im Interesse des Grundherrn liegender Verwertung des Landes. (Vgl. 
Meitzen II, S. 329). 
So kam man zu der in Gebirgsthälern an sich naheliegenden Form der 
Waldhufe'") und des Reihendorfes (Fig. 134). Von einer durchgehenden 
Straße aus, an der in fortlaufender Reihe die Gehöfte lagen, führte man von 
jedem Gehöft aus die zugehörige Hufe geschlossen in einem einzigen Streifen bis 
möglichst zur Grenze der Gemarkung. So blieb dem Grundherrn kein zer- 
stückeltes, unzusammenhängendes Land übrig. Hufe schloß sich an Hufe, und 
später kommende Siedler konnten an beiden Enden sich anreihen. Diese 
Siedelungsform wurde typisch für die Berggegenden unseres Landes und 
darüber hinaus, bis zu den Sudeten und weiter. Jene Anlagen des 9.—11. 
Jahrhunderts können also gleichsam als Vorschule und als Vorstudien be- 
trachtet werden für die späteren, gleichartigen, nur vollkommeneren Anlagen 
des 12.—14. Jahrhunderts in dem Bergland des slawischen Ostens. 
Im Koloniallande fanden nun die Einwanderer ebenfalls „zwei“ eigen- 
artige Siedelungsformen vor, die gemeinhin als „slawische“ Dorfanlagen be- 
zeichnet werden: den sogen. Rundling und das Straßendorf. 
*) Andrerseits war die Gewanneinteilung, die jedem gleichen Anteil an jeder Boden- 
qualität und -lage gewähren sollte, hier überflüssig. Die Güte u. s. w. des Bodens 
wechselte im wesentlichen mit der Höhenlage, von den fruchtbaren Wiesen und Ackern 
im Thal die Berglehne hinauf bis zum vielleicht wenig anbaufähigen, steinigen, wald- 
bewachsenen oder moorigen, rauhen, den Winden ausgesetzten Plateau. Die Anlage in 
Streifen von unten an bis oben hin war somit hier gerade mit Rücksicht auf die der Gemeng- 
lage zu Grunde liegende Idee die natürliche und gebotene (jeder erhielt gleichsam ein 
Gewann), ebenso wie die Lage der Höfe im Thal am Bach entlang, wo allein ein be- 
quemer Zugangs= und Verbindungsweg möglich war. — Etwaige Ungleichwertigkeit ließ 
sich leicht durch größere Breite der Streifen ausgleichen. 
*“) Oder Hagenhufe, so bes. in der Ebene genannt; in den Marschniederungen die 
in der Struktur ähnliche — holländische — Marschhufe, in völlig parallel verlaufenden 
Streifen, von Entwässerungsgräben durchzogen. 
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