H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 137
hänge, sumpfige, bruchartige Niederungen, Teiche einen Platz als geeignet zur
Gründung einer Stadt erscheinen.
War so die Stelle für eine Stadtanlage ausgesucht, so wurde an dieser
neben dem etwa dort schon vorhandenen Dorfe und neben der Burg die
Stadt in so regelmäßigen und stets wiederkehrenden Formen erbaut, daß
man von einem nordostdeutschen Normalschema hat sprechen können; denn es
findet sich nicht bloß bei uns, sondern auch in der Mark Brandenburg, in
Schlesien, Posen, Pommern u. s. w. Dieses Schema ist ganz einfach. Die
Stadtanlage bildet einen meist streng nach den Himmelsrichtungen orientierten
Kreis, der in der Regel einen Durchmesser von 500 m, zuweilen auch von
600 m hat, oder auch ein Oval mit einem Durchmesser von 500: 400 m,
auch 600: 500 m, auch wohl 500— 400: 300 m. Ungefähr in der Mittte,
zumeilen auch mehr nach der Peripherie hin verschoben, findet sich der
quadratische oder rechteckige Marktplatz; auf ihn stoßen rechtwinklig die nach
den vier Himmelsrichtungen hin den Stadtthoren zustrebenden Hauptstraßen
und deren Parallelstraßen, die wieder unter sich durch ebenfalls rechtwinklig
aufstoßende, meist enge Gassen verbunden sind. Es ist ein System von
gerade angelegten Straßen; wenn man in unserer Zeit aus ästhetischen
Gründen der krummen Straße das Wort geredet hat, so haben wohl die
süddeutschen Städte — schwerlich aus Schönheitsgründen — solche in
reicher Fülle aufzuweisen; die ältesten Pläne unserer Städte kennen sie nicht,
höchstens mit Ausnahme einer der Stadtmauer parallel laufenden Ringstraße,
die im Verkehrsleben der Stadt in der Regel eine ziemlich untergeordnete
Rolle spielte. Mitten auf den Marktplatz baute man das Rathaus, oft auch
die Stadtkirche, die aber nicht selten auch auf einem dem Markte benachbarten
Platze, meist nur durch einen oft erst später erbauten Häuserblock vom Markt
getrennt, ihre Baustelle fand.
Machen wir nun die Probe auf die Richtigkeit des Exempels an einzelnen
Stadtplänen. Ich wähle dafür die Städte Dresden, Meißen, Leipzig, Frei-
berg, Zwickau und Chemnitz und füge Grundrisse der ältesten Teile dieser
Städte, des eigentlichen Stadtkerns, bei.
Wir beginnen mit Dresden (Fig. 136). Hier befand sich auf dem
rechten Elbufer wohl schon vor der deutschen Eroberung ein wendisches Dorf,
von Wald umgeben; der Name Dresden bedeutet Wald, Waldleute. Dies
Dorf hatte sich auch auf das für den Fischfang günstiger gelegene linke Ufer
ausgedehnt. Der Elbübergang besaß in ältester Zeit kaum die Bedeutung
wie später; nicht hier, sondern im benachbarten Briesnitz wurde die deutsche
Burg angelegt, der der Schutz der Gegend übertragen war, dort entstand
auch die älteste Pfarrkirche; aber schon im 11. Jahrhundert wurde wohl von
dort aus die Frauenkirche in dem linkselbischen Fischerdorfe gegründet (C).
Unweit davon entstand ein deutsches Kolonistendorf, Ramvoltitz genannt. Der