H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 139
länger führte das Wendendorf auf dem rechten Elbufer, Altendresden ge—
nannt, die heutige Neustadt, eine Sonderexistenz; es erhielt 1403 Stadtrecht,
aber noch heute zeigt der Neustädter Markt mit den einmündenden Straßen
im Gegensatz zur deutschen Stadtanlage Dresden die Formen des slawischen
Rundlings.
Vielleicht der älteste Sitz der Deutschen in unserm Lande war Meißen
(Fig. 137). Wir sahen bereits, wie hier in der ersten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts an der Elbe eine Wasserburg (A) und im selben Jahrhundert noch auf
dem sie überragenden Felsen eine andere Feste entstand. Daneben wurde die
bischöfliche Kirche erbaut; auch der königliche Burggraf erhielt dort oben sein
Haus. Unmittelbar vor
der Wasserburg lag, viel-
leicht schon bevor diese
errichtet wurde, eine wen-
dische Ansiedelung, deren « –—
birnenförmige Gestalt » -M
den flawischen Rundling
erkennenläßt. Ihr Mittel-
punkt war ein Platz, der
bis in unser Jahrhundert
hinein als der Jahr-
markt bezeichnet wurde,
jetzt ein Teil der Leip-
ziger Straße (B). Hier
am Flußübergang und
an der alten Handels-
straße nach Großenhain
mag in ältester Zeit ein wenn auch noch nicht geregelter Marktverkehr be-
standen haben; auch Handwerker mögen hier gesessen haben. Man konnte
daher von einer civitas Misna sprechen; Wasserburg und Wendendorf zu-
sammen werden 1002 als suburbium bezeichnet. Und doch wurde dies
Wendendorf nicht zur Stadt. Noch heute zeigt der östliche Teil Meißens
einen völlig abweichenden baulichen Charakter, der, wenn man die topo-
graphischen Verhältnisse, namentlich die südlich vorgelagerten Berge, in Rech-
nung zieht, an die Anlage Dresdens erinnert. In der Mitte des ovalen Raums
liegt der fast guadratische Marktplatz (C), von dessen vier Ecken ungefähr gerad-
linige Straßen an die Peripherie, zu den Thoren führen. Nahe dem Markte,
auf einem Platz, den man als dessen Erweiterung ansehen kann, liegt die
Frauen= oder Marktkirche, die ecclesia St. Marie forensis (D); denn obwohl
die Domkirche und die im 12. Jahrhundert gestiftete Kirche zu St. Afra die
Stadt überragten, wollte diese doch ihre eigene Pfarrkirche haben. Die
Asosssen.
Fig. 137.