140 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens.
Marienkirche wird zuerst 1205 genannt: damit dürfte die Zeit der deutschen
Stadtanlage, Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts, bezeichnet sein.
Auch Leipzig (Fig. 138) war seine Stätte schon von der Natur vorge-
zeichnet: hier nähern sich einander Elster, Pleiße, Parthe, dazu der Mühlgraben
und die Rietschke. Im Westen und Norden schützten Sumpf und Wald.
Von alters her kreuzten sich hier die Handelsstraßen von Norden nach Süden
und von Westen nach Osten. In slawischer Zeit mag hier ein Fischerdorf
wohl schon im 10. Jahrhundert eine Burg entstanden sein; bereits 1015 er-
wähnt Thietmar die urbs Lipzi. Ob diese Burg vor dem Ranstädter Thore
lag, wo noch heute eine Vorstadt die Altenburg heißt, oder etwa in der Nähe
der späteren Pleißen=
burg (B8), ist nicht
zu entscheiden; doch
spricht für das letztere
der Umstand, daß die
älteste Kirche, die eben-
falls nach dem Patron
der Fischer genannte
Nicolaikirche (A), un-
fern der Burg gelegen
haben dürfte. Im
Jahre 1017 gelangte
diese Kirche und mit
ihr ohne Zweifel auch
das umliegende Ge-
biet in den Besitz des
Stifts Merseburg.
In der Umgegend der
Nicolaikirche haben
wir wohl die älteste
Stadtanlage zu suchen, und auch sie macht bereits einen planmäßigen Ein-
druck: in der Mitte finden wir einen großen Marktplatz, dessen nördlichen
Teil die Nicolaikirche einnimmt, während der südliche im 13. Jahrhundert
durch die Gebäude des Dominikanerklosters, an deren Stelle heute die Uni-
versität steht, wesentlich umgestaltet wurde. An diesen ältesten Marktplatz
schließen sich nach allen Seiten regelmäßige Straßenzüge. Aber diese Stadt-
anlage, die vermutlich eine Gründung des Bischofs von Merseburg war und
wohl schon in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden ist, war noch
nicht vollständig ausgeführt und namentlich noch nicht ummauert, als Mark-
graf Otto im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts westlich davon eine zweite
regelmäßige Stadtanlage schuf. In einer sehr merkwürdigen, zwischen 1156