146 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens.
von Plauen die meisten Städte unsers Vogtlandes, durch die Könige von
Böhmen eine Reihe von Städten in der Oberlausitz angelegt.
Wie man im einzelnen bei der Stadtgründung verfuhr, davon wissen
wir aus gleichzeitigen Quellen so gut wie nichts.
In Schlesien und Polen übertrugen die Herren, die auf ihrem Gebiet
ein Dorf oder eine Stadt anlegten, die Ausführung der Gründung in der
Regel einer Mittelsperson, dem Lokator; er hatte das abgesteckte Gebiet unter
die Ansiedler zu verteilen und erhielt für seine Mühe bestimmte Grundstücke
und Einkünfte, namentlich aber die Erbschultisei in den Dörfern, die Erb-
vogtei in den Städten, d. h. die Wahrnehmung der öffentlichen Gerichtsbarkeit
mit einem Drittel der Einkünfte und damit zugleich die Oberleitung der Ver-
waltung. Die Lokatoren der Städte pflegten Edelleute zu sein. Daß es
auch in unseren Städten so gewesen, läßt sich nicht sicher nachweisen, weil
keine einzige Gründungsurkunde erhalten ist. Aber wenn wir sehen, daß
auch hier in der älteren Zeit landesherrliche Beamte aus edeln Geschlechtern
die Rechtspflege und Verwaltung besorgten, die ihr Amt, das judicium
hereditarium, erblich besaßen, so läßt sich annehmen, daß die Einrichtung
der Lokatoren auch bei uns bestand. Diese Beamten heißen zuweilen, wie in
Freiberg, Vögte; häufiger sind es die Schultheißen, Sculteti; auch neben ein-
ander kommen Vögte und Schultheißen vor. In den Stammvätern der Vogt-
oder Schultheißfamilien, die wir im 13. und 14. Jahrhundert in unseren
Städten finden, haben wir wohl ihre Lokatoren zu sehen. Ihnen wurde von
den Grundherren ein Gebiet überwiesen, das sie nun wieder an die einzelnen
Ansiedler in gleichen Baustellen (arene) zu verteilen hatten. Wälder, Wiesen
und andere Grundstücke außerhalb des abgesteckten Stadtgebiets blieben zu-
nächst gemeinschaftliches Eigentum der Bürger, gemeine Mark. Die Ansiedler
waren persönlich vollkommen frei, hatten aber von ihrer area dem Grund-
herrn einen meist sehr gering bemessenen Zins zu entrichten; dieser Zins heißt
census arearum oder zu deutsch in der Regel Worfzins. Auf andere Rechte
und Einkünfte, die den Gründern der Städte, den Stadtherren, zustanden,
werde ich später zurückkommen.
Wir haben gesehen, aus welchen Wurzeln sich unsere Städte entwickelt
haben, wie ihre Gründung, ihre bauliche Anlage erfolgte. Aber so charakte-
ristisch diese Anlage ist, so scharf sie die Stadt vom Dorf unterscheidet, sie
ist doch nur eine Form, die des Inhalts bedarf. Fehlte dieser Inhalt, so
war die Form unmesentlich; es ist denkbar und ist auch thatsächlich vor-
gekommen, daß regelrecht als Städte angelegte Ortschaften wieder zu Dörfern
geworden sind, weil ihre innere Entwicklung nicht so vor sich ging, wie sie
sich der Gründer gedacht hatte. Es ist nunmehr unsere Aufgabe, diese auf