Full text: Sächsische Volkskunde.

148 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 
bezogen; und die eigentümliche Form der Stadt Zwickau erklärten wir dar- 
aus, daß das 1231 am Südrande der neuen Stadt gegründete Franziskaner- 
kloster mit ummauert wurde. 
Wie man bei der Maueranlage verfuhr, dafür bietet ein lehrreiches 
Beispiel die Stadt Zittau, die allerdings im 13. Jahrhundert und noch 
lange nachher nicht zum Gebiete der Wettiner, sondern zu Böhmen gehörte. 
König Ottokar II., der wie sein Vater Ottokar I. eine ähnliche Rolle als 
Städtegründer in Böhmen spielte, wie bei uns die Markgrafen Otto, Dietrich 
und Heinrich, hatte hier, wo schon lange vorher eine nicht unbedeutende 
Niederlassung bestand, um 1250 eine Stadt angelegt; der damalige Burg- 
graf von Zittau, Heinrich von Leipa, mag der Lokator gewesen sein. Ur- 
sprünglich mit Zäunen umgeben, reichte der Raum bald nicht mehr aus, da von 
allen Seiten Ansiedler herbeiströmten. Da kam der König 1255 nach Zittau, 
ließ mit einem Pfluge eine Furche ziehen und folgte dem nach und umritt 
in Begleitung vieler angesehener Herren die Stadt „weiter, wenn sie vor umme- 
griffen war“; und als seine Begleiter sagten: „Herr, die Stadt ist zu weit!“, 
da antwortete er: „Ich will sie so begnaden mit Rechten aller Art, daß ich 
sie mit Einwohnern wohl besetzen will.“ Dieses feierliche Umreiten der Grenze, 
eine symbolische Handlung, die die Ausstellung einer Urkunde ersetzte, ist eine 
uralte slawische Sitte; in unseren Landen findet sie sich z. B. im Brauche des sog. 
Erbebereitens, durch das die oberirdischen Grenzen eines für eine Stollenanlage 
bestimmten Gebietes festgestellt wurden. Ob auch bei der Ummauerung unserer 
Städte so verfahren wurde, wissen wir nicht; meist erfahren wir nur 
gelegentlich, oft lange nachher, daß eine Stadt ummauert war. Aber auch 
bei uns ist die erste Ummauerung wohl stets auf den Landesherrn oder den 
sonstigen Stadtherrn zurückzuführen. Die Unterhaltung der Mauer aber, sowie 
spätere Umbauten war Sache der Bürger; ihnen fiel auch die Bewachung 
der Mauer zu; ein Umstand, der für die Wehrhaftigkeit unserer mittel- 
alterlichen Bürger von wesentlicher Bedeutung war. 
Die Bauweise der Stadtmauer war überall die nämliche: eine starke, 
unmittelbar die Stadt umschließende Innenmauer, mit Türmen, Wiechhäusern, 
Erkern und anderen Werken versehen, war der Hauptteil; an sie schloß sich 
eine meist erst später errichtete und durch den sog. Zwinger von jener ge- 
trennte niedrigere Außenmauer an. Außerhalb dieser Mauer lag der Stadt- 
graben, eingefaßt durch einen Wall, auch Zaun, Parchen genannt. Hie und 
da waren auch die Vorstädte mit Zaunwerk umgeben; z. B. in Chemnitz, 
wo die Unterhaltung desselben den umliegenden Dörfern oblag, die dafür Zoll- 
freiheit in der Stadt genossen und bei einem Landgeflüchte ihre Zuflucht 
dahin nehmen durften. 
Die wichtigsten Teile der Stadtmauer waren die Stadtthore. In der 
Regel sind es vier, die nach den vier Himmelsrichtungen liegen; sie sichern
	        
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