H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 149
den Eintritt der wichtigsten Landstraßen in die Stadt, schließen die Haupt-
gassen, die als Fortsetzung dieser Landstraßen erscheinen. Manchmal, so bei
den Straßenstädten, die ich erwähnte, finden sich auch bloß zwei Hauptthore;
anderwärts aber auch fünf, wie in Dresden und Freiberg, oder sechs, wie in
Leipzig; ursprüngliche Nebenthore, Mauerpforten, deren es überall noch mehrere
gab, waren nach und nach zu Hauptthoren geworden.
Wie die Stadtmauer mit ihren Thoren als durchaus zum Begriff der
Stadt gehörig angesehen wurde, das beweisen die Siegel vieler Städte, die
ein Thor und ein Stück der Stadtmauer zeigen. Wo uns offene, nicht um-
mauerte Städte begegnen, da galten sie, in älterer Zeit wenigstens, nicht
als Städte im rechtlichen Sinne, sondern nur als Märkte; so z. B. Dohna,
das niemals Mauern gehabt hat. Als das Lausitzer Städtchen Ostritz, das
eine völlig planmäßige Stadtanlage zeigt und schon früh als civitas bezeichnet
wird, im Jahre 1368 auf Veranlassung des damaligen Besitzers, des Klosters
Marienthal, Stadtthore und ein Rathaus bauen wollte, griffen es die Zittauer,
zu deren Weichbilde es gehörte, mit Waffengewalt an und zerstörten diese
Bauten.
Zum Bilde der Stadtbefestigung gehört notwendig auch die Burg. Wir
sahen bereits wie die Burgen, lange bevor die Städte entstanden, zu denselben
Zwecken angelegt wurden, denen die Stadtmauern dienten; sie schützten das um-
liegende Gebiet und in besonders hohem Grade die Ansiedlung an ihrem Fuße.
Sollte eine Stadt an einem Ort begründet werden, wo noch keine Burg stand,
da ging der Stadtgründung meist die Erbauung einer Burg unmittelbar vor-
her, wie wir das bei Dresden und Freiberg sahen. Die Burg wurde die Cita-
delle der Stadt, ohne doch eigentlich zu ihr zu gehören; denn mit wenigen
Ausnahmen, in denen die Stadt sich in den Besitz der Burg zu setzen wußte,
blieb diese in unserm Lande fortdauernd im Besitz des Stadtherrn, diente
ihm als gelegentliche Wohnstätte, war der Sitz seiner Beamten. Es hat dies
wesentlich dazu beigetragen, daß die städtische Entwicklung in den wettinischen
Landen nur sehr selten zu jenen schroffen Gegensätzen zwischen Stadt und
Stadtherrn führte, wie wir sie im Süden und Westen so vielfach finden.
Eine solche Ausnahme ist der Konflikt, in den Markgraf Dietrich der Be-
drängte in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts mit der Stadt Leipzig
geriet. Wir können auf diese Fehde, die in Zusammenhang mit den Kämpfen
zwischen dem Welfen König Otto IV. und dem Staufer Friedrich II. stand, nicht
näher eingehen; wir erwähnen nur, daß ein für die Stadt sehr günstiger Ver-
trag 1216 dem Markgrafen Dietrich die Anlegung von Befestigungen in oder
vor der Stadt untersagte. Freilich nahm Dietrich die Stadt kurz nach-
her mit List ein und hielt sich nun nicht mehr an seine Versprechungen gebunden;
er ließ die Mauern der Stadt niederlegen und erbaute innerhalb derselben
drei castra, wahrscheinlich nicht eigentliche Burgen, sondern bloße Wiech-