Full text: Sächsische Volkskunde.

154 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 
meinsamer Benutzung der Bürger, oder suchten sie sich, wenn die unmittel- 
bare Nähe von Dorffluren dafür anfangs keinen Raum ließ, allmählich zu 
erwerben. So wurde der Stadt Leipzig schon im 12. Jahrhundert der Wald 
Luch überwiesen tam in gramine quam lignis et piscibus; Dresden hatte 
seine Bürgerwiese und seine Ziegelwiese, Freiberg erwarb 1259 ein Allod 
zur Anlegung einer Viehweide u. s. w. Aber diese Allmende diente nicht 
zum landwirtschaftlichen Betrieb; sie lieferte teils das Holz zum Häuserbau, 
teils den Weideplatz für das Vieh. Denn Viehzucht, die im Mittelalter nie 
als selbständige landwirtschaftliche Erwerbsquelle erscheint, trieb der Bürger 
so gut wie der Bauer. Sehr früh aber begann doch auch der Ackerbau für 
die Städte an Bedeutung zu gewinnen. Bei der Angliederung von Dörfern 
waren größere und kleinere Landgüter ins Stadtgebiet gekommen; so finden 
wir in Leipzig und zwar im ältesten um die Nicolaikirche gelegenen Stadt- 
teil eine ganze Anzahl von Höfen im Besitze von adeligen Grundherren als 
Mittelpunkte landwirtschaftlichen Betriebs. Die Burglehen, die Höfe einzelner 
Klöster, von denen aus die in der Nähe der Stadt liegenden Grundstücke 
derselben bewirtschaftet wurden, wie der Grünhainer Hof in Zwickau, tragen 
ähnlichen Charakter; sie galten freilich, obwohl innerhalb der Stadtmauer 
gelegen, doch, wie wir bereits sahen, nicht als Stadtgebiet, sondern waren 
Freihöfe. Aber auch die wirklichen Stadtbürger fingen schon früh an, Acker- 
bau zu treiben, sei es, daß Kaufleute und Handwerker ihre Kapitalien in 
ländlichem Besitz anlegten, sei es, daß Landwirte städtische Hausgrundstücke 
erwarben. Schon im 13. Jahrhundert erscheinen die Städte vielfach von einem 
Kranz von Feldfluren umgeben, deren Besitzer Bürger waren; in Grimma 
wird 1419 bestimmt, daß jeder Bürger, der vier Acker Land besitzt, der Stadt 
1 Mark davon geben solle. Auch daß, wie wir sahen, der Dünger als wert- 
volles Objekt galt, deutet auf landwirtschaftlichen Betrieb; in Bautzen verbot 
1307 eine landesherrliche Verordnung jedem Nichtbürger die Ausfuhr von 
Dünger aus der Stadt ohne Genehmigung des Rates. Ja vielfach tritt im 
Laufe des Mittelalters der ursprüngliche Charakter unserer Städte hinter der 
landwirtschaftlichen Beschäftigung der Bürger so völlig zurück, daß sich 
Handelsstädte in Ackerstädtchen verwandeln. Und das trifft nicht bloß 
für kleine Städte zu; selbst in Leipzig überwog, wie Wustmann aus den 
Angaben über das Gesinde im Türkensteuerbuch von 1481 nachgewiesen hat, 
sogar in der innern Stadt der landwirtschaftliche Betrieb gegenüber Handel 
und Gewerbe. 
Und doch sind diese für die Anfänge unserer Städtewesen das Entscheidende. 
Im Sprachgebrauch des früheren Mittelalters ist mercator, Kaufmann, 
vielfach gleichbedeutend mit Stadtbürger, obgleich es gewiß nie Städte gegeben 
hat, deren Bürgerschaft ausschließlich aus Kaufleuten bestand. Bei uns findet 
sich übrigens nicht dieser weite Sinn des Wortes; im Gegenteil hat mercator
	        
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