Full text: Sächsische Volkskunde.

156 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 
für die täglichen Bedürfnisse des Lebens die unentbehrlichsten waren: die 
Innungen der Bäcker und Fleischer, der Schuster und Schneider sind überall 
die ältesten, bestanden hie und da, z. B. in Freiberg, schon im 13. Jahr- 
hundert. Meist aber sind die Innungen erst im 14. und 15. Jahrhundert 
nachweisbar. Auf die soziale und politische Bedeutung, die diese Innungen 
dann für die Stadt gewonnen haben, komme ich später zurück. 
Von großer Wichtigkeit für Handel und Handwerk war das Recht der 
Bannmeile, das überall zu den ältesten Rechten der Städte gehörte, ihnen 
wohl meist gleich bei der Gründung verliehen wurde. Wie Mauern und 
Markt, so gehört zum Begriff der mittelalterlichen Stadt auch ein sie rings 
in der Regel im Umkreise von einer Meile umschließender Bezirk, in dem der 
wirtschaftliche Einfluß der Stadt unumschränkt herrschen sollte, in dem Handel 
und Handwerk der Stadt gegen jede Konkurrenz geschützt waren. Schon der 
Leipziger Stadtbrief des 12. Jahrhunderts bestimmt, daß eine Meile um die Stadt 
kein ihr schädlicher Markt errichtet werden sollte. Ebenso wie der Markt, 
war der Betrieb von Handwerken und das Bierbrauen innerhalb der Meile 
verboten; das Freiberger Stadtrecht aus dem Ende des 13. Jahrhunderts sagt: 
die Meile gehört von Alters her zu der Stadt, so daß Niemand soll backen 
und brauen feile (d. h. für den Verkauf), man soll es in der Stadt holen. 
Mit großer Zähigkeit hingen die Städte an diesem Meilenrechte; bis tief in 
die Neuzeit hinein gab jede Verletzung desselben Anlaß zu energischem Wider- 
stand. Das bezeugen nicht bloß zahllose Prozeßakten; nicht selten auch griff 
der friedliche Bürger, wenn er sich in seinem Meilenrechte beeinträchtigt sah, 
zur Selbsthilfe: in Zeiten, in denen seine Wehrhaftigkeit längst nicht mehr 
auf der früheren Höhe stand, sehen wir ihn mit bewaffneten Mannschaften 
ausziehen, um die Braugefäße und Biervorräte benachbarter Dörfer zu zer- 
stören, dem Dorfhandwerker seine Handwerksgeräte wegzunehmen. 
Besonders empfindlich war man namentlich gegen Verletzungen der 
städtischen Braugerechtigkeit. Das Bier, das von den Tagen des Tacitus 
bis heute eine wichtige Rolle in Deutschland gespielt hat, wurde auch für 
das Städtewesen von großer Bedeutung; das Recht zu brauen und das selbst- 
gebraute Bier zu verschänken, gehört zu den wichtigsten Bürgerrechten; in späteren 
Zeiten, als die Blüte unserer Städte im Schwinden war, wird oft genug 
die Braunahrung als das einzige bezeichnet, was die Bürger vor dem Ver- 
armen schützte. In vielen Städten braute man nicht nur für den eigenen 
Bedarf, sondern auch für den Export; das Freiberger und Torgauer, das 
Chemnitzer, das Grimmasche Bier und so manches andere genossen einen weiten 
Ruhm. Die Einfuhr dieser fremden Biere suchte man im Interesse des 
heimischen Gebräus vielfach dadurch einzuschränken, daß sie der Stadtbehörde 
vorbehalten blieb; auch zum Weinschank war diese in der Regel allein berechtigt. 
Zur Ausübung dieses Rechts diente der Ratskeller, den so manche unserer
	        
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