158 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens.
Vorläufer moderner kapitalistischer Unternehmungen. An sie lehnten sich die
Einrichtungen der Bleicherei an, die sich im 14. Jahrhundert in Chemnitz
entwickelte. Die Tuchfabrikation, die Leinweberei und andere Gewerbe, die
sich später zu größeren Industrien entwickelt haben, zeigen im Mittelalter
noch durchaus die Formen des zünftig organisierten Handwerks.
Kaufmann und Handwerker sind die wichtigsten Faktoren, aus denen
sich die bürgerliche Gesellschaft zusammensetzte. Ihrer Nationalität nach war
sie durchaus deutsch. Wenn fast die Hälfte unserer Städte, 66 von 142,
slawische Namen führt, so erklärt sich dies teils daraus, daß sie an einem
schon zur Slawenzeit benannten Flusse lagen (Chemnitz, Lößnitz, Pulsnitz,
Sebnitz, Zschopau, Zwönitz); meistens aber erinnert der Name an das einst
wendische Dorf, auf dessen Flur oder neben dem die Stadt entstanden ist.
Die Bürgernamen, die uns vom 13. und 14. Jahrhundert überliefert sind,
sind fast ausschließlich deutsch, nur in der Lausitz, wo unter einem slawischen
Herrscherhaus die nationalen Unterschiede sich weniger scharf ausprägten, er-
scheinen Wenden schon früh selbst unter den Ratsmitgliedern. In den
Städten der Wettiner dagegen waren die Slawen vom Bürgerrecht aus-
geschlossen, wie ja auch die Innungen keine Wenden aufnahmen, vielmehr
als Leute unehrlicher Herkunft ansahen. Man duldete sie wohl in den Vor-
städten; als sie dann später auch in der Stadt selbst Aufnahme fanden, wurden
ihnen vielfach besondere Stadtteile angewiesen, wo sie, abgesondert von den
Bürgern, sich niederlassen mußten; so gab es in Dresden eine windische Gasse,
die heutige Galleriestraße. Sie waren also in gleicher Lage wie die Juden,
die wir schon im 13. Jahrhundert ziemlich zahlreich in den meißnischen Städten
finden, so daß sich Markgraf Heinrich veranlaßt sah, 1265 durch eine
ausführliche Judenordnung ihre privatrechtlichen Verhältnisse und insbesondere
ihre Beziehungen zu den Christen zu ordnen. Auch ihnen waren besondere
Wohnplätze zugewiesen; Judengassen, Judenberge und dergl. finden sich in
Dresden, Zwickau, Meißen, Freiberg und sonst oft. Auch sie waren zum
Erwerbe des Bürgerrechtes im allgemeinen nicht berechtigt, doch kommen einzelne
Ausnahmen vor. Die Judenverfolgungen des 14. und 15. Jahrhunderts
haben ihre Lage sehr verschlechtert, in manchen Städten wohl zeitweise die
Judenschaft ganz ausgerottet; aber die geschäftlichen Verhältnisse der Zeit,
die den Verkehr mit beweglichem Kapital fast ganz den Juden überließen,
bewirkten, daß sie immer wieder kamen. Immerhin bildeten Wenden und
Juden fremde Elemente; der Grundstock der Bevölkerung bestand aus deut-
schen Ansiedlern, die ebenso wie die bäuerlichen Kolonisten aus den benach-
barten Landen, aus Niedersachsen, Thüringen, Franken, auch aus den Nieder-
landen kamen. Darauf deuten Ortsnamen wie Frankenberg; der civitas
Saxonum in Freiberg, der Sächsstadt, habe ich schon gedacht. Sachse,
Franke, Döring, Flemming sind häufig vorkommende Familiennamen; zahl-