Full text: Sächsische Volkskunde.

H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 159 
reiche andere Familiennamen wurden benachbarten Städten und Dörfern ent- 
lehnt und beweisen, daß die einmal entstandene Stadt fortdauernd eine große 
Anziehungskraft auf die Umgebung ausübte, daß ihre Bewohnerschaft sich 
stets durch Zuzug erneuerte. 
Das lag vor allem in jener Eigenschaft der Stadt, die in dem bekannten 
Satz zusammengefaßt ist: Stadtluft macht frei. Die Geburtsstandesunter- 
schiede glichen sich in den Städten aus. Wohl finden wir in der ltesten 
Zeit neben den freien Kolonisten, die wohl stets die überwiegende Mehr- 
zahl bildeten, auch Ministerialen, Mitglieder des Dienstadels, ja sie spielten 
hie und da eine nicht unbedeutende Rolle in der städtischen Verwaltung: 
ferner unfreie Hintersassen, z. B. in Chemnitz, wo wir von Wachszinsen hören, 
die dem Kloster zu entrichten waren, meist ein Zeichen der Unfreiheit, auch wohl 
solche Hintersassen auswärtiger Herren. Aber diese Elemente verschwinden sehr 
bald; die Ministerialen gingen entweder völlig in der Bürgerschaft auf, ver- 
gaßen ihren alten Adel, wie die Freiberger Bürgerfamilien der Schönberg, der 
Karlowitz, oder sie blieben als Besitzer von landesherrlichen Lehen, die als 
Freihöfe galten, außerhalb des städtischen Verbandes, auch wenn sie inner- 
halb der Stadt wohnten. Die Unfreien aber machten sich von ihren Verpflich- 
tungen den Herren gegenüber los; bei neuem Zuzug galt als Grundsatz, daß 
die Herren zwar ihre Hörigen reklamieren durften, aber ihrer Rechte verlustig 
gingen, wenn sie sie nicht binnen Jahr und Tag geltend gemacht hatten. 
Die persönliche Freiheit der Stadtbewohner übertrug sich auf den Grund- 
besitz. Zwar hatte der städtische Ansiedler von seiner aren in der Regel 
dem Grundherrn einen kleinen Zins zu zahlen, aber dieser Zins war eine 
reine Reallast, er beeinträchtigte in keiner Weise die freie Beweglichkeit des 
Grundstücks. Im Gegensatz gegen die mannigfachen Beschränkungen des länd- 
lichen Eigentums war es die charakteriftische Eigentümlichkeit des Stadtrechts- 
gutes, daß es frei vererblich und frei veräußerlich war. Auf Grund dieser 
freien Beweglichkeit entwickelte sich nun durch Kauf und Tausch, durch Ab- 
zweigung von Teilstücken aus den ursprünglichen arene, durch Belastung mit 
Erbzinsen und ablösbaren Zinsen u. s. w. eine reiche Mannigfaltigkeit von 
Besitzformen; aber so interessant die Geschichte des Eigentums in unseren 
Städten ist und so wichtig für ihre spätere Entwicklung, so würde ein näheres 
Eingehen darauf uns viel zu weit führen; zum Verständnis der Anfänge 
unseres Städtewesens genügt der Hinweis auf die Freiheit des Stadtrechtsgutes. 
  
Die Ummauerung schied die Stadt äußerlich vom Dorfe; die Eigenschaft 
als Marktgemeinde, der Betrieb von Handel und Handwerk, die darauf be- 
ruhende Zusammensetzung der Einwohnerschaft begründeten einen tiefgehenden 
wirtschaftlichen Unterschied zwischen Stadt und Dorf. In einer Zeit, in der 
das Rechtsleben des Volkes viel unmittelbarer als heute, unbeirrt durch ge-
	        
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