H. Ermisch: Die Ansänge des sächsischen Städtewesens. 165
nahmsweise groß; sie verringerte sich noch im 13. Jahrhundert auf zwölf, und
dies blieb dann die regelmäßige Mitgliederzahl des Rates unserer größeren
Städte, während in kleineren in der Regel weniger Ratsmitglieder vorkommen,
z. B. in Borna, Rochlitz und in vielen andern Orten sieben.
Diese Siebenzahl ist nun deswegen beachtenswert, weil sie auch die regel-
mäßige Zahl der Schöffen ist. Vielfach hat man den Rat unmittelbar aus
dem Schöffenkolleg, das ja ohne Zweifel eine ältere Institution ist, ableiten
wollen. Aber so einfach dies scheint, so ist es in der Allgemeinheit schon
darum nicht richtig, weil es Städte gab, in denen das Schöffenkolleg erst
lange nach Einrichtung des Rats entstanden ist, wie wir dies bei Freiberg
sahen. Immerhin besteht ein naher Zusammenhang zwischen Schöffen und
Rat und ist auch durchaus nicht befremdlich: es war ja selbstverständlich,
daß man zu Schöffen die angesehensten Stadtbewohner erkor, und das waren
vielfach dieselben, aus denen der Rat gebildet worden war. Oft erscheinen
consules et jurati, Ratmannen und Schöffen, als Glieder eines und des-
selben Kollegiums; wenn dasselbe, wie z. B. in Chemnitz, aus 12 Personen
bestand, so ist anzunehmen, daß sieben davon zugleich im Dinge als Schöffen
thätig, fünf aber ausschließlich Ratsmitglieder waren. In Dresden gab es bis
Ende des 14. Jahrhunderts neben einem Rat von 12 Mitgliedern noch ein
Schöffenkolleg von sieben Mitgliedern; aber in wichtigen Verwaltungsangelegen-
heiten erscheinen beide oft vereinigt und erst später tritt eine schärfere Sonde-
rung ein. Daß bei kleineren Städten den sieben Schöffen, die im Gericht
saßen, die einfachen Verwaltungsgeschäfte mit übertragen wurden, lag sehr
nahe. Im einzelnen zeigt die Entwickelung des Rats in jeder Stadt ihre
Besonderheiten; das schließt aber nicht die Annahme einer ursprünglich
ziemlich gleichmäßigen Organisation aus: denn in der Regel tritt uns der
Rat erst entgegen, nachdem er bereits eine längere Entwickelung durch-
gemacht hat.
An der Spitze des Rats erscheint in älterer Zeit durchweg der mit der
Rechtspflege im Stadtgerichtsbezirk beauftragte landesherrliche Beamte: der
Vogt oder häufiger der Schultheiß. Nach dem Tode Heinrichs des Erlauchten
aber, unter dem die Selbständigkeit der Städte große Fortschritte gemacht
hat, machten sie sich von dieser Bevormundung los; der Vorsitz im Rats-
kollegium und damit die oberste Leitung der städtischen Geschäfte wurden
nunmehr einem Genossen des Kollegiums, einem aus ihm gewählten Bürger-
meister, magister consulum, übertragen. Fast genau um dieselbe Zeit er-
scheinen in allen unsern größern Städten die ersten Bürgermeister (Freiberg
1291, Leipzig und Dresden 1292, Zwickau 1297), und zugleich verschwinden
die landesherrlichen Beamten aus der städtischen Verwaltung. Nachdem ihnen
dann auch, wenigstens in den größern Städten, das städtische Gericht ent-
zogen ist, haben sie nur noch in Vertretung des Landesherrn das Oberauf-