H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 167
Vorsteher der Innungen, die Handwerksmeister, neben dem Rate einen regel-
mäßigen Einfluß auf die Verwaltung ausüben.
Die Kompetenz des Rates war eine sehr weite. Während die Selbst-
verwaltung der Landgemeinden sich auf die Regelung der agrarischen Verhältnisse
und daneben etwa auf Maß und Gewicht, auf die Lebensmittelpolizei be-
schränkte, gehörte in den Städten allmählich die gesamte innere Verwaltung
zur Befugnis des Rates; das Organ der Stadt trat an die Stelle der
landesherrlichen Organe. Wollte ich auf diese Verwaltungsthätigkeit der
Stadträte eingehen, so müßte ich ein Bild des gesamten mitttelalterlichen
Stadtlebens entrollen; ein solches Bild bietet zwar nach den verschiedensten
Seiten hin großes Interesse, namentlich auch vom Standpunkte der Volks-
kunde aus —, aber es würde allein mehr Raum beanspruchen, als mir über-
haupt zu Gebote steht, und so muß ich darauf verzichten und kann dies um
so eher thun, als es mehr der weitern Entwickelung unseres Städtewesens
angehört als seinen Anfängen.
Das 12. und 13. Jahrhundert ist, wie für den ganzen Osten Deutsch-
lands, so auch für unsere Lande die Geburtszeit der Städte. Noch um 1150
kannte unser Land nur Dörfer und Burgen; um 1300 ist es von einem
dichten Netz deutscher Städte bedeckt. Etwa die Hälfte unserer heutigen
Städte und darunter alle bedeutenderen, lassen sich als in dieser Zeit be-
gründet nachweisen. Im 14. Jahrhundert vermehrte sich die Zahl nur wenig;
dagegen brachte das 15. Jahrhundert eine neue Zeit der Städtegründungen,
die bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts andauerte und ausschließlich dem
neu auflebenden Bergbau zu verdanken war. Über die Gründungsgeschichte
der damals entstehenden Städte, deren wichtigste Schneeberg, Annaberg,
Buchholz, Marienberg waren, sind wir natürlich weit genauer unterrichtet,
als über die der älteren; aber für die Anfänge unseres Städtewesens kommen
sie nicht in Betracht: einmal konnten sie sich bereits an fertige Muster halten:
dann aber ging es damals schon zu Ende mit der mittelalterlichen Herrlich-
keit der Städte, mit jener stolzen Selbständigkeit festgeschlossener Rechts= und
Interessenkreise. Das Eindringen des römischen Rechts, seine Einwirkungen
auf die Verwaltung des Staates, die daraus folgende bedeutende Verstärkung
der Fürstenmacht — alles dies mußte der alten Stadtfreiheit Eintrag thun;
ihre Formen lebten noch fort, der Inhalt schwand. Der verzweifelte Wider-
stand, den die Stadt Freiberg der Beseitigung ihres alten Erbrechts durch
die Konstitutionen des Kurfürsten August entgegenstellte, zeigt uns, wie man
doch auch in städtischen Kreisen dies aufs schmerzlichste empfand. Und als
dann dem blühenden Wohlstande, wie er noch im 16. Jahrhundert in unseren
Städten herrschte, die Stürme des dreißigjährigen Krieges und die Kämpfe
des folgenden Jahrhunderts schwere Wunden geschlagen hatten, als innere