Full text: Sächsische Volkskunde.

12 S. Ruge: Das sächsische Land. 
Weist so der geschichtliche Zusammenhang unser Land auf seine 
Beziehungen zu Norddeutschland, so hat es doch seine viel älteren geolo- 
gischen Verbindungen, was die Gestaltung der Gebirge betrifft, lediglich im 
Süden. In dieser Hinsicht ist Böhmen für uns maßgebend. 
Das ganze Böhmerland mit seinen Umwallungen, die wir als Gebirgs- 
züge schon im herzynischen System kennen gelernt haben, bildete ursprüng- 
lich eine einzige zusammenhängende Masse kristallinischen Urgesteins zwischen 
der March und Oder im Osten und der Nab und Saale im Westen, von der 
Donau im Süden bis ans norddeutsche Flachland. Als eine der am frühsten 
erkalteten und festgewordenen Massen der Erdrinde ist diese in Rhombus- 
gestalt daliegende böhmische Scholle älter als die Alpen, so daß diese 
Hochgebirge namentlich in ihren nordöstlichen Ketten bei ihrem Emporsteigen 
oder Emporgeschobenwerden sich an der massigen böhmischen Scholle stauten 
und knickten. In der tertiären Zeit hat aber auch die Scholle bedeutende 
Veränderungen erfahren: Der Nordosten erlitt große Längsspalten und 
Brüche in der Richtung des heutigen Egerthals. Daran sank das inner- 
böhmische Land in die Tiefe ab, während das abgetrennte Stück, jetzt unser 
Erzgebirge, sich schräg nach Nordwesten neigte, so daß der südliche Rand auf- 
kippte und nun den Steilabfall des Erzgebirges nach Böhmen bildete. So 
war also lange vor dem Auftreten der Menschen durch dieses geologische Er- 
eignis der spätere Gang der Besiedlung von der sanft ansteigenden nörd- 
lichen Seite des Gebirges schon vorgezeichnet. Ubrigens können die auch 
jetzt noch vorkommenden Erdbeben im Erzgebirge als die letzten Ausläufer 
dieser Bewegungen angesehen werden. Anders lagen die Verhältnisse im 
Lausitzer Gebirge, das von diesen Bewegungen der Erdrinde weniger in Mit- 
leidenschaft gezogen wurde und in seiner Grundlage mehr den flachen 
Charakter einer Scholle mit aufgesetzten niedrigen Kämmen bewahrte. 
Zwischen diesen Kämmen ist der Zugang nach Böhmen leichter als anders- 
wo. Zwischen diesen Kämmen mochten sich wohl auch ehemals die im Innern 
Böhmens aufgestauten Gewässer der Elbe ihren Abfluß nach Norden ge- 
nommen haben, ehe sie sich den Weg durch den leichter zu bewältigenden 
Sandstein der sächsischen Schweiz bahnten. 
Jedenfalls müssen die Germanen bei ihrem ersten Vordringen in die 
herzynischen Wälder ihren Weg von Norden her durch die Lausitz nach 
Böhmen genommen haben, mag auch Marbod später von Westen gekommen 
sein. Durch die Lausitz ist der alte Verkehr nach Böhmen gegangen und so 
konnte von allen am Rande Böhmens gelegenen Landschaften auch die Lausitz 
noch bis ins 17. Jahrhundert seine politische Zugehörigkeit zu Böhmen 
haben. 
Zwischen der Lausitz und dem Erzgebirge lagerten sich in der Kreidezeit 
in seichter Meeresbucht die Sandmassen ab, die den Hauptbestandteil der
	        
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